Feng-Shui in einer Berliner Bäckerei

Firmenporträt: die Märkische Landbrotbäckerei in Berlin. Gemeinsam mit anderen betreibt der Inhaber ein BHKW, eine Solar- und eine Regenwassernutzungsanlage. Honoriert wurde diese Initiative mit dem Berliner Umweltpreis

„Ich führte nachts die Bücher, fuhr morgens die Brote aus, half mittags in der Bäckerei“

An den Wänden hängen Auszeichnungen für ökologisches Wirtschaften. Schon die erste Tür führt zum Geschäftsführer und Alleininhaber der Märkischen Landbrotbäckerei Joachim Weckmann. Seit 1981 betreibt der 50-Jährige die Bäckerei, die inzwischen Marktführer in Berlin bei biologisch-ökologischem Brot ist. Er hat in dem seit einem halben Jahrhundert existierenden Betrieb viel verändert. Verändert, damit die Erde heilen kann. Verändert für die Gesundheit der Menschen, die sein Brot essen, wie Weckmann sagt.

Denn verändern will er – weil er daran glaubt. Dabei ist er bescheiden geblieben: Von „Glück“ redet er und „passenden Umständen“, die sein Geschäft in Gang brachten. Immerhin 5.000 Brote verteilt auf 30 verschiedene Sorten verlassen täglich die Backstube, um im Ökofachhandel, in Reformhäusern und Bioläden verkauft zu werden. Das Getreide kommt von Demeter-Bauern in Brandenburg.

Auch hier hat Weckmann verändert: Zusammen mit den Bauern erprobte er den Anbau alter, noch nicht verzüchteter Getreidesorten. „Nur so stimmt der Geschmack, profitiert die Umwelt“, erklärt Weckmann. Brote backen ist seine Leidenschaft. Deshalb werden auch die Energien auf dem Gelände in der Neuköllner Bergiusstraße gebündelt. Gemeinsam mit einem Naturkostgroßhandel, einer Konditorei und einer Behindertenwerkstatt betreibt er unter anderem ein Blockheizkraftwerk, eine Solar- und eine Regenwassernutzungsanlage. Honoriert wurde diese Initiative nicht nur mit Fördermitteln aus den Umweltrogrammen, sondern auch mit dem Berliner Umweltpreis.

All das erzählt Weckmann ganz nüchtern. Nur wenn er vom Weißbrot spricht, wird er wieder energisch und sein grau-schwarz melierter Bart sträubt sich: „Energieräuber“ nennt er es und „Verbrecher an der Gesundheit“. Dagegen hat er was.

Er glaubt an das volle Korn. Deshalb sorgt er für größtmögliche Transparenz. Fragen, die sich um eher heikle Themen wie beispielsweise die Höhe der Löhne seiner Mitarbeiter drehen, beantwortet er offen und begründet auch warum: „Ich habe die Gelder für den Aufbau dieser Firma von den Steuerzahlern erhalten. Darum ist es ihr gutes Recht zu erfahren, was mit dem Geld gemacht wurde!“ Als Beweis gelten seine Internetseiten. Riesige Datenmengen sind es, von der Mitarbeiterzahl bis über die Firmenphilosophie und die Geschäftsberichte.

Auch in der Backstube hat er keine Geheimnisse, beantwortet alle Fragen – egal, ob nach Kosten, Umweltverträglichkeit oder Arbeitszeiten. Er zeigt die riesigen Kornspeicher, die aus goldgelbem Holz hergestellten Tiroler Steinmühlen, in denen das Getreide langsam und behutsam zermahlen wird, damit es die Nährstoffe nicht verliert, und die Ruheräume für die Teige.

Alles wirkt ruhig und bedächtig und der Mehlstaub, der im einfallenden Sonnenstrahl tanzt, lässt erahnen, dass hier die Wärme von innen kommt, von den Menschen, die das Brot backen. Deshalb, und damit seine Mitarbeiter sich wohlfühlen, hat er – auch auf Anregung seiner Mitarbeiter hin – die Räume und das Betriebsgelände des Märkischen Brotes nach den Regeln des Feng-Shui ausgerichtet. Die Anordnung der Arbeitsplätze, die Brunnen im Osten und Westen des Hauses und Kunstwerke in der Backstube haben eine inspirierende Arbeitsatmosphäre geschaffen, heißt es in der „Landbrot Fibel“, der Broschüre zum Märkischen Landbrot.

Immerhin 50 Mitarbeiter fühlen sich in seiner Firma inzwischen wohl. Nicht zuletzt auf Grund des kooperativen Führungsstils. Der wird zwar oft beschworen, aber Weckmann ist es ernst damit: „Jeder darf – ja soll! – seine Vorschläge zur Verbesserung einbringen. Ein Führungskreis aus fünf Personen trifft die Entscheidung darüber.“ Seit knapp fünf Jahren bildet er auch Bäcker aus. „Leider konnten wir die Azubis bisher nach ihrem Abschluss nicht übernehmen“, bedauert Weckmann.

Bisher gibt es auch nur zwei Frauen als Gesellinnen. Das liegt weniger daran, dass Weckmann keine Frauen einstellen will, sondern dass es fast keine zum Einstellen gibt. „Bäcker sind, auch bei Ökobäckereien, meist Männer – die Arbeit ist körperlich sehr anstrengend, und das wollen die meisten Frauen nicht“, berichtet Weckmann.

Außerdem wird natürlich rund um die Uhr gearbeitet – morgens gemahlen, mittags und abends gebacken – je nachdem wie lange die Teige ruhen müssen. „Als ich anfing mit dreieinhalb Mitarbeitern, führte ich nachts die Bücher, lieferte morgens die Brote aus und half mittags in der Backstube“, sagt Weckmann. Inzwischen hat er Mitarbeiter für die Buchhaltung, und die Belieferung der Naturkostläden läuft im Verbund mit anderen Bäckereien, damit die Natur nicht unter den überflüssigen Kilometern leidet. Inzwischen zieht er jährlich auch eine Ökobilanz, worin der unabhängige Gutachter feststellt, wie weit die Umweltziele durchgesetzt wurden.

An all diesem Wissen will Weckmann teilhaben lassen: Er bietet Schulungen für Mitarbeiter von Naturkostgeschäften an, Schulklassen haben die Chance, sich die Ökobäckerei zeigen zu lassen und Nachahmer seiner Idee sind willkommen, wie Weckmann sagt: „Ob Laien oder Fachleute – wir geben weiter, was wir wissen. Denn nur wer versteht, kann verändern!“

Joachim Weckmann hat wohl verstanden. Denn immerhin hat sein Brot als eines der wenigen den im Oktober letzten Jahres durchgeführten Test in der Zeitschrift Ökotest bestanden: Bei ihm wurde das gefürchtete Acrylamid nicht in den Broten gefunden. MARIA LESHER