DIE KRISE DER PDS IST EINE KRISE IHRER THEMEN
: Auf die falschen Verlierer gesetzt

An diesem Wochenende versucht sich die PDS an einem Wunder: Nicht weniger als ihre Auferstehung ist geplant. Das religiöse Vokabular ist für die atheistische Partei angebracht, denn irdische Hoffnung besteht für die Sozialisten nicht mehr. Auch wenn sie mit Lothar Bisky einen neuen Vorsitzenden gefunden hat, der Ansehen über die eigene Partei hinaus genießt: Eine echte Wiederbelebung kann man nicht erwarten, kaum erhoffen, höchstens gläubig ersehnen. Denn gleich drei Selbstmordversuche hat die PDS im letzten Jahr unternommen. Erst verhinderte sie nicht, dass Gregor Gysi aus der Verantwortung floh – das hat die PDS ins Mark getroffen. Die Übriggebliebenen zerstritten sich und versemmelten die Bundestagswahl – danach zuckte die PDS noch. Der Freitod gelang in Gera: Auf einem emotional geprägten Parteitag drehte die PDS nicht nur ihren Spitzenpolitikern, sondern auch der Gesellschaft, in der wir leben, den Rücken zu und wählte stattdessen die diffus totaloppositionelle Gabi Zimmer.

Interessant ist der Ort, an dem die Wiederauferstehung gelingen soll: Die Ostpartei sammelt sich im Tempodrom, einem hoch subventionierten Tempel Westberliner Alternativkultur. Vor knapp einem Jahr, nach der Bundestagswahl, ließen hier die Grünen ihre wiedergewählten Stars hochleben. Was hat die erledigte PDS mit den erfolgreichen Grünen zu tun? Beide Parteien sind aus ihrem Teil Deutschlands nie hinausgekommen. Beide sind vor allem über einen einzelnen charismatischen Führer wahrgenommen worden. Beide Parteien verfügen nur über ein schmales Set an Themen, für die ihnen Kompetenz zugeschrieben wird. Bei den Grünen sind das Umweltschutz, Minderheiten und Nachhaltigkeit – es reicht, hier mit Atomausstieg, Homoehe und Kritik an der Verschuldung zu punkten; den Rest überlassen sie Gerhard Schröder.

Hier kann die PDS von den Grünen lernen: Der ewige Zank um Regierungsbeteiligung oder Opposition führt zu nichts. Die Krise der PDS resultiert nicht aus der Regierungsbeteiligung in Berlin, sie ist vielmehr eine Krise ihrer Themen. Auch die PDS hat ein schmales Themenset: Frieden, Osten, Soziales. Warum punktet die PDS damit nicht mehr?

Frieden – die PDS hat als einzige Partei verlässlich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr gestimmt und mächtig Profit aus der grünen Wandlung von einer Bewegung der Gewaltfreiheit zur dauerkriegführenden Regierungspartei geschlagen. Die PDS-Friedenspolitik kann allerdings nicht fortgesetzt werden. Bei der Abstimmung zum Kongo-Einsatz letzte Woche rangen die beiden verbliebenen Abgeordneten mit ihrem Gewissen, ob sie den Einsatz tatsächlich ablehnen können. Der Irakkrieg hat zudem gezeigt: Verfällt Rot-Grün – aus welchen Motiven auch immer – zurück in „Nein“-Politik, sind die bei der PDS untergeschlüpften pazifistischen Wähler ganz schnell wieder weg.

Osten – unzweifelhaft ist die PDS die Partei der Spaltung, die von der wirklichen und stärker noch von der gefühlten Benachteiligung der Menschen im Osten profitierte. Und diese Spaltung wächst: die wirtschaftliche Entwicklung, das Lohnniveau, die Arbeitsbedingungen. Die vielen Erbschaften der Wohlstandsgeneration im Westen gibt es im Osten nicht. Kein Wunder, dass die Identitäten in Ost und West wieder auseinander driften. Allein: Die PDS profitiert davon nicht. Die neue Verliereridentität unterscheidet sich von derjenigen des staatstragenden Milieus der DDR – die sich in der PDS konserviert hat. Insofern beginnt die Ostpartei das Gefühl für den neuen Osten zu verlieren.

Soziales – auf dieses Thema hat die PDS lange, verbissen und vergeblich Anspruch erhoben. Denn dafür gab es ja das Original, die Sozialstaatspartei SPD, und die Originellen, die projektorientierten Grünen. Diese beiden haben schließlich mehr Erfahrung damit, wie man Schutz vor Armut und – jawohl! – Umverteilung in einer Marktwirtschaft organisiert. Leider tun sie es nicht mehr. Die SPD betreibt den Sozialabbau zähneknirschend, die Grünen liefern mit ihrem Akzent auf der Nachhaltigkeit – also der Dauerhaftigkeit – den Überbau. Rot-Grün verabschiedet sich von den Menschen, die im Wettbewerb verlieren. Die brauchen aber eine Interessensvertretung. Diese Aufgabe hat die PDS in Gera vergeigt – ob Agenda 2010 oder Metallerstreiks, der Klassenkampf findet ohne sie statt. Deswegen hat sie auch keine Auferstehung verdient. ROBIN ALEXANDER