„Kleine Philharmonie“
: Einfach unverschämt

Wir müssen sparen, sparen, sparen, predigt von seiner entrückten Kanzel aus der heilige Oberbürgermeister dieser scheinheiligen Stadt. Doch für einen prestigeträchtigen Kammermusiksaal, verniedlichend „kleine Philharmonie“ genannt, sollen 27 Millionen Euro locker gemacht werden. Wie unverschämt der Eilantrag von CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma Mitte Februar wirklich war, zeigt jetzt das Schreiben des DeutschlandRadio-Intendanten Ernst Elitz. Hätten die skeptischen Ratsleute – vor allem die der grünen Fraktion – nicht vorsichtshalber auf die Bremse gedrückt und Schramma aufgefordert, mehr Informationen über die Notwendigkeit eines Kammermusiksaals im Kulturzentrum am Neumarkt vorzulegen, hätte der OB seinen Prestigesaal bereits bekommen, obwohl es eine echte Alternative in Köln gibt.

KOMMENTAR VON SEBASTIAN SEDLMAYR

Wenn der Rat der Stadt Köln als gewähltes Repräsentantengremium sich trotz der großen Löcher im Etat für den Saal entscheiden sollte, müsste gegenüber dem Regierungspräsidenten dargelegt werden, wo an anderer Stelle gespart werden soll. Schließlich gilt für Köln eine Haushaltssicherung. Das hat Regierungspräsident Jürgen Roters erst vor wenigen Tagen noch einmal deutlich gemacht, als er in einem Schreiben an Schramma eine engere Abstimmung mit der kommunalen Aufsichtsbehörde anmahnte.

Der Kölner Rat kann aber nur dann vernünftig entscheiden, wenn er über alle Alternativen ausreichend informiert ist. Nicht jeder kennt den Kammermusiksaal am Raderberggürtel. Er ist, wie Ernst Elitz in seinem Brief an Fritz Schramma schrieb, „im Bewusstsein der Stadtverwaltung bislang nicht so verankert“. Umso wichtiger ist es, das getrübte Bewusstsein für die bestehenden Ressourcen der Stadt aufzuhellen. Wenn Schramma den Ratsmitgliedern Elitz‘ Brief nicht zugänglich macht, verhindert er damit, dass sich die Entscheider ein vollständiges Bild machen können. Ein Ortstermin wäre das Mindeste, was der OB den Ratsleuten vor der Abstimmung bieten müsste.

Abgesehen davon ist ein Kammermusiksaal im Kulturzentrum am Neumarkt ohnehin nicht vordringlich. Das Geld für den architektonisch komplizierten Neubau an der Stelle des „Kölner Lochs“ wäre in der Nachwuchsförderung besser aufgehoben. Wer meint, nur mit einer „kleinen Philharmonie“ sei der Ruf Kölns als Musikmetropole zu retten, irrt. Philharmonie-Chef Albin Hänseroth muss sich fragen lassen, ob die Investition in einen neuen Saal und damit die Förderung der etablierten Hochkultur wirklich wichtiger ist in einer Stadt, die als Bewerberin für den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ gerne eine „Generation 2010“ junger Kulturliebhaber hervorbringen möchte.

Auch das Argument, der DeutschlandRadio-Saal sei verkehrsungünstig gelegen, verfängt im übrigen nicht. Zu dem Hochhaus führen drei Buslinien, ein Fahrradweg und eine vierspurige Autostraße. Parkplätze sind ausreichend vorhanden.