Liebe, Sex und Kommunismus

Sie wollen die Herzen bewaffnen und halten den Kapitalismus für kriminell: „The (International) Noise Conspiracy“ passen genau in die Lücke zwischen revolutionärer Lesestunde und Demo-Einsatz. Und die Liebe kommt dabei auch nicht zu kurz. Morgen agitieren die Schweden in der Fabrik

Wie viele Menschen braucht es, um eine kriminelle Vereinigung zu bilden? Laut Urteil des Bundesgerichtshofs sind zwei Personen dafür eine zu wenig. Warum? Zwei können ein Paar sein, und wer Gesetze aus Herzensgründen übertritt, dem wird planvolles Handeln nicht mehr zugetraut. Gegen die Liebe sind die Kategorisierungen des Strafgesetzbuches eben eher stumpf, und die bürgerliche Moral ist ein laues Lüftchen.

Mit Rockmusik hat das alles was zu tun, wenn der seelische Ausnahmezustand zu einer Waffe gemacht wird: Armed Love ist das Credo der vier Menschen aus Schweden, die sich The (International) Noise Conspiracy nennen. So steht es auf ihrem aktuellen Album und den Plakaten für ihre in Hamburg startende Europatournee geschrieben. Dazu viel schwarz, viel rot, ein paar Sterne.

Ihre Punk‘n‘Soul-Vereinigung bringen sie in Stellung gegen das, was sie für kriminell halten: „Capitalism is organized crime!“ Gemeinsame Aktion – gegen das System. Freundschaft, Zusammenhalt und Liebe zu den Gleichgesinnten sind der Gegenentwurf, und schon Ernesto Che Guevara wusste: „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“. Musik als linkes Projekt, das ist doch wundervoll.

Leider wird das weltweit bekannte Konterfei des kubanischen Revolutionshelden mittlerweile auch auf Nazi-Demos getragen, und für viele gestern noch links denkende ZeitgenossInnen ist der Mann mit dem Bart ein Massenmörder, sind rote Sterne Sowjetmief, ist die radikale Linke hierzulande zu deutsch oder zu antideutsch und der Rest irgendwie zu postmodern. Schuld ist auch ein Etwas namens POP. Dieser Zustand macht es möglich, dass Herr Guevara in so schlechte Gesellschaft gerät, dass manch einer die Klangfarbe der Böhsen Onkelz nicht mehr von den Toten Hosen zu unterscheiden weiß, dass Marius Müller-Westernhagen das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommt, dass ... die Noise Conspiracy um Sänger Dennis Lyxzèn bald aus Versehen auf einem FDP-Parteitag spielt?

Ihre Strategie ist allerdings eine andere. Pausenfüller zwischen dem für jede RevolutionärIn notwendigen Verzehr von subversiver Literatur und dem nächsten Demo-Einsatz wollen sie sein. „Geht nach Hause, lest Bücher!“, schreit Lyxzèn gerne von der Bühne. Er will die Bepuderungs-Tendenzen des Popmarkts umdrehen. Mit Marx-Theorie in den Texten und vielen Lesetipps im CD-Booklet. Mit schwitziger Soul-Sexyness auf der Bühne und Beat-Hüftschwüngen, die sich nicht gewaschen haben. Politik als Ambiente: Vier Orgeltasten für ein „Ya Basta!“, drei Crash-Becken gegen den Nationalstaat, und die Gitarren lassen den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung weit hinter sich.

Des Nordens Soulrockgirls und -boys werden morgen Abend jedenfalls glücklich und verschwitzt, Arm in Arm, Armed Love im Herzen, aus der Fabrik torkeln. Noch mal kräftig „We share our dreams under a communist moon“ in den Nachthimmel trällern, Sterne an die Wand malen. Das ist doch wirklich wundervoll. Markus Flohr

Morgen, 21 Uhr, Fabrik