FC Union lässt Fans zur Ader

Um aus der Finanzkrise zu kommen, haben sich die Marketingstrategen der Eisernen etwas Neues überlegt: Treue Anhänger sollen Blut spenden und den Erlös dem klammen Verein überlassen. Kommt nicht genug zusammen, droht die Oberliga

VON JÜRGEN SCHULZ

Ralf Büttner kann es kaum erwarten, bis Blut fließt. „Für etwas zu bluten ist ein positiv besetzter Begriff. Man denkt dabei an Blutspende oder ‚mit dem Herzblut dabei sein‘ “, philosophiert der Marketingchef des 1. FC Union. Büttner ist kein Vampir oder Hooligan in Nadelstreifen. Doch der gewiefte Verkäufer weiß, dass die Union-Fans gehörig zur Ader gelassen werden müssen, um den pekuniär in die Anämie geschlitterten Eisernen das Überleben zu sichern.

Bis zum 9. Juni um 14 Uhr muss Union dem DFB eine Liquiditätsreserve in Höhe von 1,461 Millionen Euro sowie einen Hauptsponsorenvertrag über 350.000 Euro vorweisen. An dernfalls erhält der Zweitliga- Absteiger aus Köpenick, der vor drei Jahren noch im Europacup spielte, keine Zulassung für die Regionalliga und würde durch gereicht in die vierthöchste deutsche Kickerklasse, die Oberliga.

In höchster Not hat das Vereinspräsidium eine Geldsammelaktion unter dem martialischen Slogan „Bluten für Union“ initiiert. „Die Kampagne beruht auf drei Säulen“, erklärt Oskar Kosche, Mitglied des Vereinspräsidiums. Demnach sollen Wirtschafts- und Aufsichtsrat ihr Scherflein zur Rettung beitragen. Etwa durch erhöhte Zuschüsse oder das Anwerben neuer Sponsoren. Im zweiten Segment fahndet Präsident Jürgen Schlebrowski nach einem strategischen Partner. Derzeit verhandelt der Ober-Unionist mit einem potenziellen Investor aus Russland. „Wenn es klappt“, sagt Schlebrowski, „hätte Union eine bessere wirtschaftliche Grundlage, als sie der Verein jemals hatte.“

Da ungewiss ist, ob der Rubel rollt – und wenn ja, rechtzeitig zum 9. Juni –, ruhen die Hoffnungen der Eisernen wieder einmal auf der treuen Vereinsbasis. „Bluten für Union“! Viele Anhänger des Kultklubs aus Köpenick bedauern, dass ein Homo sapiens nur sechs Liter Blut fasst. Denn Union hat die Fans aufgerufen, in kooperierenden Krankenhäusern ihren lebenswichtigen Saft (bzw. dessen Spendenerlös) auf ein Rettungskonto fließen zu lassen.

Eigentlich sollten sich die Anhänger auch am gestrigen Sonntag beim letzten Zweitliga- Heimspiel der Eisernen gegen Karlsruhe (Endstand 2:2, Halbzeit 2:1) anpieksen lassen (zu der Partie wurde überdies ein „Lizenz-Zuschlag“ in Höhe von 2 Euro pro Ticket erhoben). Doch angesichts der traditionell gut besuchten Bierstände im Stadion Alte Försterei kommen Büttner Bedenken, „dass die meisten Blutspenden nicht zu gebrauchen wären“.

Als so unblutige wie schmerzlose Alternative empfiehlt Union allen Möchtegern-Rettern den Kauf eines roten T-Shirts (Aufdruck „Bluten für Union“, Kostenpunkt 15 Euro das Stück) oder Spenden zugunsten des Clubs. „Jeder kann ein kleiner Kölmel sein“, witzelt Büttner. Michael Kölmel, Chef der mittlerweile in Insolvenz gegangenen Kinowelt AG, rettete die Köpenicker 1998 mit einer Finanzspritze in Millionenhöhe vor dem Konkurs. Die Frage, wie es trotz der Aufbauhilfe Ost zur aktuellen Existenzkrise bei Union kommen konnte, vermag Präsidiumsmitglied Kosche nur ausweichend zu beantworten: „Diese Situation ist im Laufe der Zeit entstanden.“