Das Licht geht aus

Sensationell verliert Roy Jones jr. gegen Antonio Tarver seinen WM-Titel durch K. o. in der zweiten Runde

BERLIN taz ■ Kann ja mal passieren, könnte man sagen. Ein wilder Schwinger aus dem Nichts, genau auf den Kinnwinkel – zack, schon gehen die Lichter aus. Mike Tyson ist dies gegen Buster Douglas widerfahren, Lennox Lewis gegen Hasim Rahman. Peinlich nur, wenn solches Missgeschick einem Boxer am Ende seiner Karriere passiert, gegen einen Kontrahenten, den er schon im vorhergehenden Kampf nur durch die Gunst der Punktrichter bezwungen und über den er vor dem aktuellen Fight kübelweise Spott ausgegossen hatte. Roy Jones jr., seit vielen Jahren als „bester Boxer der Welt“ gerühmt, war jedenfalls ziemlich kleinlaut, nachdem ihn Antonio Tarver in Runde zwei ihres Halbschwergewichts-WM-Kampfes in Las Vegas kurz und schmerzhaft ausgeknockt hatte.

„Meine Fans möchten, dass ich diesem Jungen das Maul stopfe“, hatte Jones vor dem Kampf getönt. Er sei es leid, dass Tarver überall erzähle, er sei beim ersten Treffen im letzten November Opfer eines Betruges geworden. Tarver war jedoch beileibe nicht der Einzige, der sich damals im Vorteil gesehen hatte, und Roy Jones jr. selbst räumte zumindest ein, in einer miserablen körperlichen Verfassung angetreten zu sein. Nachdem er acht Monate zuvor gegen John Ruiz Schwergewichts-Weltmeister geworden war, hatte er das hohe Gewicht in der Hoffnung auf einen Fight mit Mike Tyson gehalten. Als dieser nicht zustande kam und er den Schwergewichtstitel niederlegte, musste er für den Tarver-Kampf in kurzer Zeit 25 Pfund abnehmen und sei dadurch geschwächt gewesen. Nichtsdestotrotz hielt er seinen damaligen Punktsieg für gerechtfertigt. „Er konnte mich nicht schlagen, als nicht mein Tag war, und er kann mich erst recht nicht schlagen, wenn mein Tag ist“, behauptete der 35-Jährige und fügte selbstbewusst hinzu: „Ich bin jetzt wieder Roy.“

So präsentierte er sich auch im Ring des Mandalay Bay Hotel. Vom ersten Gong an dominierte er den Kampf, traf den gleichaltrigen Tarver nach Belieben mit seinen gefürchteten Kombinationen und schien einem sicheren Sieg entgegenzusehen. Ein Moment der Unaufmerksamkeit brachte ihn um die Früchte seiner offenkundig sorgfältigen Vorbereitung. „Vielleicht habe ich mich zu sehr gelangweilt mit ihm“, sagte Jones anschließend. Eine plausible Erklärung dafür, dass er es nach einem Fehlschlag versäumte, sich außer Reichweite Tarvers zu begeben, und stattdessen versuchte, den scheinbar harmlosen Kontrahenten gleich nochmal zu attackieren. Dessen mehr als Abwehraktion gedachter linker Haken traf den Titelverteidiger, der zuvor nur einmal durch Disqualifikation verloren hatte und nur einmal am Boden gewesen war, mit voller Wucht am Kinn.

Während sich Antonio Tarver als Held eines „Klassikers der Boxgeschichte“ sah, nörgelte Roy Jones jr., er könne sich für solche Kämpfe nicht motivieren und würde lieber wieder gegen Schwergewichtler antreten. Erst kürzlich hatte er deutsche Medien mit der Idee in Aufruhr versetzt, gegen Vitali Klitschko zu boxen. Ernst zu nehmen ist das nicht, eher würde er sich auf einen Schlammringkampf mit einem Nilpferd einlassen, als sich mit dem Ukrainer anzulegen, der viel größer und schneller ist als etwa John Ruiz. Einzig Tyson wäre eine ebenso lukrative wie handhabbare Option. Manches deutet jedoch darauf hin, dass der beste Boxer der Welt am Samstag seinen letzten Kampf bestritten hat. MATTI LIESKE