Nur noch Hoffnung

Nach dem 1:1 gegen die dadurch abstiegsverschonte Hertha aus Berlin steht der TSV 1860 München mit anderthalb Beinen in der zweiten Liga. Für den Klassenerhalt spricht jedenfalls nur wenig

AUS MÜNCHEN JOACHIM MÖLTER

Im Sport gibt es immer Gewinner und Verlierer, selbst bei einem Unentschieden wie dem 1:1 zwischen dem TSV 1860 München und Hertha BSC Berlin am Samstag in München. „Hertha hat heute mit einem Punkt gewonnen“, fand 1860-Trainer Gerald Vanenburg, dessen Team zweifellos der Verlierer war. Dieser eine Punkt genügte nur den Berlinern, um auch nächste Saison in der Fußball-Bundesliga mitspielen zu dürfen; entsprechend erleichtert feierten sie nach dem Schlusspfiff. Sie herzten und küssten sich wie die Profis von Werder Bremen vor einer Woche, als die sich im Olympiastadion den Meistertitel gesichert hatten. Auch die Berliner hatten übrigens T-Shirts mitgebracht zur Feier des Tages: „Danke, Hans“ stand drauf, eine Botschaft an Trainer Hans Meyer, der seinen Platz räumt für den unlängst vom TSV 1860 entlassenen Falko Götz.

„Endlich hatten wir mal ein Quäntchen Glück“, seufzte Hertha-Manager Dieter Hoeneß, „zum Ende der Vorrunde war ja doch eine gewisse Hoffnungslosigkeit da.“ Da standen die mit großen Ambitionen in die Saison gestarteten Berliner auf einem Abstiegsplatz und hatten in Huub Stevens und Interimscoach Andreas Thom schon zwei Trainer verbraucht. Der alte Hans Meyer sollte es richten – und sackte zu Rückrundenbeginn erst einmal auf den letzten Platz ab, mit der schlechtesten Tordifferenz als zusätzlichem Handicap. „Ich freue mich“, sagte Hoeneß, „dass wir aus dieser fast ausweglosen Situation noch rausgekommen sind.“ Wie sie das geschafft haben, verheimlichten sie in München aber. Die Berliner deuteten gegen 1860 zu keiner Zeit Erstliga-Tauglichkeit an, kläglich vergab Artur Wichniarek ihre einzige Chance – freistehend, acht Meter vor dem leeren Tor (37. Spielminute). „Wir haben gespielt wie ein Absteiger“, fasste Trainer Meyer die ersten 70 Minuten zusammen. Erst in der 82. Minute glich Alexander Madlung das 1:0 der Münchner durch Rodrigo Costa aus; beide Tore fielen per Kopfball nach Freistößen von der rechten Seite. Aber die Berliner mussten bis zum Schluss zittern: Zunächst verschoss der eingewechselte Francis Kioyo einen von Arne Friedrich an Martin Stranzl verursachten Foulelfmeter (88.), dann parierte Torhüter Christian Fiedler einen Kopfball des ebenfalls eingewechselten Christophe Lepoint auf der Linie (90.).

Dass ein Sieg für den TSV 1860 München verdient gewesen wäre, bestritt auch Hans Meyer nicht: „Dieses Ding hatten sie heute richtig in der Hand.“ Der beim TSV 1860 tätige Schweizer Remo Meyer sagte: „Das ist ganz bitter, wenn man die bessere Mannschaft ist und so engagiert kämpft.“ Wie noch nie in dieser Saison hatten die Löwen sich abgerackert, die Unterstützung von 48.000 Zuschauern im Rücken (ausgenommen eine kleine Minderheit aus Berlin), den Abstieg vor Augen. Die hatte Trainer Vanenburg aber offenbar erst im Trainingslager in Tirol öffnen können, als er in einer Art Brandrede den Profis klarmachte, dass sie nicht nur um die Zukunft des Klubs, sondern auch um ihre eigene spielten. Seine Drohung, nicht die besten Fußballer aufzustellen, sondern die engagiertesten, hatte er auch wahr gemacht: Der als leidenschaftslos bekannte Kapitän Markus Schroth hockte auf der Bank. Dumm war nur, dass die Münchner nach dem 1:0 ihre Gelegenheiten zu weiteren Toren nicht nutzten, selbst den Elfmeter am Ende nicht.

Nun spitzt sich die Lage für die Löwen am letzten Spieltag auf geradezu dramatische Art und Weise zu. „Auch wenn wir nur noch eine kleine Chance haben“, sagte Gerald Vanenburg, „es ist immer noch eine.“ Um die Klasse zu halten, müssen die Löwen am nächsten Samstag in Mönchengladbach siegen, gleichzeitig muss der 1. FC Kaiserslautern zu Hause gegen den Uefa-Cup-Kandidaten Borussia Dortmund verlieren und darf Eintracht Frankfurt nicht beim ambitionsfreien Hamburger SV gewinnen. Tun die Frankfurter das doch, müssten die Münchner Löwen schon sehr hoch siegen, um das bessere Torverhältnis der Eintracht noch auszugleichen zu könen.

Es spricht also nur wenig für den TSV 1860, „aber wir müssen einfach hoffen“, forderte Tyce. Die Hoffnung stirbt zuletzt – beim TSV 1860 stirbt sie eines langen, langsamen Todes. Schmerzhaft und qualvoll.