Roy Black im Rosenkrieg

Christoph Waltz pendelt zwischen seichten und anspruchsvollen Filmen. Im flachen Fernsehfilmchen „Scheidungsopfer Mann“ (20.15 Uhr, ZDF) spielt er einen Rosenkrieger – und nimmt’s mit Sarkasmus

VON MAREKE ADEN

Sein Gesicht ist ein wenig windschief wie das von Harvey Keitel, das Grinsen schräg wie das von Clooney. Christoph Waltz ist Schauspieler und kein schlechter. Wenn es in Deutschland ein Hollywood gäbe, dann wäre vielleicht ein George Clooney oder ein Harvey Keitel. Es würde schon gehen. Dann würden zumindest die Interview-Modalitäten passen. In der luxuriösen Lobby eines großen Berliner Hotels empfängt Waltz Journalisten im Halbstundentakt.

Aber in Deutschland gibt es kein Hollywood, und der Schein von Glamour ist Christoph Waltz ein bisschen peinlich. „Ja, meine Presseleute kannten das anscheinend auch so von den großen Stars. Ich habe es mir nicht ausgesucht“, sagt er. Und weil Berlin nicht Hollywood ist, gibt es auch keinen Regisseur, der aus dem Serienschauspieler einen echten Kinostar machen könnte. Stattdessen gibt es in Deutschland das ZDF und den Film „Scheidungsopfer Mann“, der heute Abend läuft. Das klingt nach trockener deutscher Dokumentation über Scheidungen, aber es ist ein Spielfilm. Und wenn man ihn sieht, dann wünscht man sich, es wäre eine Dokumentation.

Christoph Waltz spielt einen Mann, der wohl ein Scheidungsopfer sein soll. Zu Problemen in der Ehe führte die Karriere der Frau. Warum der Titel ausgerechnet den Mann zum Scheidungsopfer kürt, ist am Ende ungewiss, denn der Film entspricht schlicht dem Genre „Rosenkrieg“: Eheleute trachten einander nach der Karriere und machen Freunde und potenzielle Partner madig.

Undankbare Rollen

Christoph Waltz hat sich für seine undankbare Rolle nicht viel Mühe gegeben. Seine schauspielerischen Gaben hat er bereits verschwenderischer eingesetzt. Möglicherweise ist das klug. Denn es ist gut, wenn sich niemand an ihn in diesem Film erinnern kann. Andererseits wird sein Gesicht so auch nicht bekannter und aus der Clooney- oder Keitel-Karriere nichts, wenn er nur Scheidungsopfer spielt. Denn anders als in den USA nimmt man den Schauspielern hierzulande das Seichte übel. Unterhaltung und Kultur werden streng geschieden. Eine Rückkehr von der „Rückkehr der Killertomaten“, wie sie Clooney gelungen ist, dürfte in Deutschland ausgeschlossen sein.

Christoph Waltz selbst ist sich darum nicht sicher: Einerseits findet er seine Wahl der Rolle okay, weil es schon so sei, dass „Männer nach Scheidungen oft sehr rigoros zur Kasse gebeten werden und die Frauen wissen, wie man das ausnutzt“. Dazu ist zu sagen, dass Christoph Waltz selbst geschieden ist, aber nicht in Deutschland, sondern in England, wo Scheidungen besser und fairer ablaufen, wie er sagt. Und außerdem ist Waltz auch einer, der sich mit dem Mix aus anspruchslosen und anspruchsvollen Rollen einen Wohnsitz in London locker leisten kann. „Kassiert mittlerweile gute Gagen“, steht unter einem Foto von ihm. „Das stimmt nicht“, sagt Waltz, „ich habe schon immer gute Gagen kassiert.“

Andererseits findet auch er, dass der Titel nicht passt: „Können Sie das bitte in Großbuchstaben schreiben?“ Waltz hat einen Verdacht: „Sehr wahrscheinlich waren das die Marketingexperten, denen ist der Inhalt eh scheißegal.“ Seicht findet er den Film ebenfalls, „wenn man es sich von oben anschaut“. Er kauert sich tief in den Sessel und schaut von der Seite schräg nach oben: „Wenn man so guckt, dann ist es nicht seicht.“

Unter der Oberfläche

Der Film sei immerhin besser als einer, der gar keinen Anspruch habe, sagt er. Und Musil habe gesagt, dass man Tiefen dicht unter der Oberfläche suchen solle. Aber dann überlegt er kurz und befindet, dass es doch etwas weit führe, Musil für dieses Fernsehspiel zu zitieren.

Dicht unter der Oberfläche hat Christoph Waltz schon öfter gesucht: Er spielte Roy Black, er spielte in „Der Alte“ und im „Derrick“. Aber er kann auch anders: In tollen Filmen wirkte er ebenfalls, zum Beispiel in „Der Sandmann“. Er spielte den Oetker-Entführer in „Tanz mit dem Teufel“. Und den Arzt in „Herr Lehmann“.

Christoph Waltz erzählt, dass er den Autor von „Herr Lehmann“, Sven Regener, kannte und ihn gleich ansprach: „Wenn aus dem Buch jemals ein Film wird, dann will ich eine Rolle.“

So muss man es machen in Deutschland als Schauspieler: Bücher lesen, bevor sie Drehbücher werden.