Preis der Osterweiterung

Warum siegte die Ukraine? Warum hat Österreich überhaupt Punkte bekommen? Wie geht es Max? Die endgültigen Experten-Antworten auf diese und weitere Fragen zum 49. Eurovision Song Contest

AUS ISTANBUL JAN FEDDERSEN

Warum hat Ruslana gewonnen? Sie war, ganz simpel, am entschlossensten auf der Bühne. Genoss sich offenkundig. Guckte in die Kameras, als verspräche sie allen das Äußerste. War auf die Sekunde ohne Nervosität. Europa mag offenbar solche Darbietungen – siehe „Riverdance“ (auch bei der Eurovision geboren, 1994), siehe Cirque du Soleil, siehe Dschingis Khan.

Hat die Ukraine vom Übergewicht slawischer Länder bei der Eurovision profitiert? Das Votum für Ruslana fiel fast einmütig aus – nicht nur die Nachbarländer der Ukraine wollten den prominentesten Pop-Act des Landes gewinnen sehen, auch die meisten west-, nord- und mitteleuropäischen Länder füllten ihr Punktekonto stetig.

Hatte Deutschland weniger Alliierte als andere? Nein, auch Max’ Ergebnis setzte sich aus viel Nachbarschaftshilfe zusammen. Österreich und die Schweiz gaben je 10, Spanien (Mallorca, Sitges, Gran Canaria) gar 12 Punkte.

Wo sind bloß die grandprixesken Bizarrerien geblieben? Es gab sie immer noch, Gott sei Dank. Beispiele: der bestürzende Trend zum Altrosa (Maltas Julie); die Neigung zur öffentlichen Peepshow (Ex-Ceaușescus Rumänien); das unvermeidliche Politstatement mit Friedenszeichen (Türkei, Sänger Gökhan); viel Satin (Norwegen, Sänger Knut); das Pink vieler Männer-T-Shirts (Bosniens Deen); die Häufung von tenoralen Stimmen (Malta, Israel im Halbfinale: allesamt abgestraft); Mauve als Lidschatten (Zyperns Lisa Andreas); verdeckte Aknespuren (Albaniens Anjeza ließ sich extra die Haare neu stecken).

Wie ging es Max? In der Abdi-Ipeksi-Halle, wo er vier Zeilen seines Songs auf Türkisch sang, war man entzückt über Max, der so schön singen kann, als ginge es ums Allerletzte. Nachher zeigte er sich ehrlich und schön enttäuscht. Der achte Platz, „na ja“, der sei nicht so ganz in Ordnung, „unter den ersten Fünf“ hätte er sich schon lieber gesehen.

Wie nahm es Stefan Raab? Cool. „Stompartig“ nannte er die Siegerin und gab ihr gewisse Marktchancen jenseits der Ukraine. Für Max sei der achte Rang vielleicht gut, „dann läuft er nicht fuffzig Jahre als ewiger Grand-Prix- Sieger rum und muss dauernd ‚Can’t wait until tonight‘ auf Türkisch singen“.

Wie geht es mit Max weiter? Im Herbst wird er mit Raab eine CD aufnehmen – dem Vernehmen nach mit zeitgenössischer Musik und deutschen Texten.

War es um die Sicherheit in Istanbul gut bestellt? Hervorragend sogar. Immerhin galt die Eurovision als Paradeobjekt islamistischer Terroristen. Rund um das Veranstaltungsgelände waren während der Eurovisionstage hunderte von Scharfschützen postiert – die fünfzig Hundertschaften an zivilen Polizisten waren überdies von ausgesuchter Freundlichkeit, wenn sie alle Täschchen überprüften.

War die ARD mit ihrer Quote zufrieden? Wenn nicht: Sie müsste. Abermals hat die bislang nur im Kukidentsektor wirklich dominierende Senderkette an einem Abend alle Rivalen abgehängt. 11,11 Millionen Zuschauer guckten zu – was im Segment der 14- bis 49-jährigen einem Marktanteil in der Spitze von 71 Prozent bedeutete.

Warum hat Österreich neun Punkte erhalten? Weil Frankreich und Griechenland nicht begriffen, wie mies das Männertrio Tie-Break wirklich war.

Kann die Ukraine es nächstes Jahr schaffen, den 50. (und Jubiläums-)Eurovision Song Contest durchzuführen? Sie wird, das versprach deren Intendant noch gestern Abend in der Garderobe Ruslanas bei zu zehnt neun Flaschen geleerten Wodkas: „Wir sind jetzt das Herz Europas. Wir lassen es pochen. Ab sofort.“

Kann das klassische Eurovisionseuropa jemals wieder gewinnen? Nein! Zu viel Sangesplunder (Island, Belgien, Irland, Frankreich).

Ist Istanbul schön? Ja. Man versteht als Nichttürke ja kein Wort, aber das fließend. Schillernd, diese Stadt. Sonntag, der Tag danach. 16 Grad. Windig. Freundlich. Hinfahren!