DER IRAK BRAUCHT EINE REGIERUNG, DIE SICH VON DEN USA ABSETZT
: Schritt für Schritt in die Unabhängigkeit

In der US-Regierung treten die Widersprüche über die Irakpolitik offen zu Tage. Präsident George Bush schloss jetzt einen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak auch nach der Machtübergabe am 30. Juni kategorisch aus. Sein Außenminister Colin Powell hat dagegen noch am Tage zuvor diese Möglichkeit offen gelassen, sollte die irakische Übergangsregierung einen Abzug fordern. Für die Iraker bieten diese Widersprüche neue Möglichkeiten. Alle wissen, dass auch die neuen irakischen Gremien und deren Mitglieder nach der Machtübergabe von den eigentlichen Herren des Landes, den Amerikanern, abgesegnet werden müssen. Das bedeutet aber nicht, dass die neue irakische Regierung nicht auch ihr eigenes Profil gegenüber den Besatzern gewinnen kann.

Das Hauptproblem im Irak ist das Fehlen jeder Autorität, die von der Bevölkerung anerkannt wird. Dieses Problem kann auf zweierlei Art gelöst werden. Die erste wäre, mit Wahlen eine legitime Regierung zu schaffen. Das kostet Zeit, ist kompliziert, schafft neue Ungewissheiten und ist doch am Ende unabdingbar. Der zweite Weg, Legitimität zu schaffen, ist eine unabhängige Politik der irakischen Übergangsregierung gegenüber den Besatzern. Wie Powell aufgezeigt hat, könnte sich eine irakische Regierung offen den Plänen Washingtons für eine langfristige Stationierung von US-Truppen im Irak widersetzen. Sie könnte verlangen, dass auch die für die Misshandlung irakischer Gefangenen verantwortlichen Ausländer vor ein irakisches Gericht gestellt werden. Sie könnte die Vergabe von Aufträgen für den Wideraufbau in eigener Regie vergeben, und sie könnte die Rolle der US-Berater in den Ministerien einschränken.

Über Nacht würden die irakischen Regenten in den Augen ihres eigenen Volkes von den Handlangern der Amerikaner zum nationalen Symbol der Souveränität. Dies könnte auch den Teufelskreis der Gewalt durchbrechen, denn der militärische Widerstand ist bei den Irakern vor allem aus einem Grund so populär: Bislang bot sich keine Alternative, den Widerstand gegen die Besatzung auch politisch auszudrücken. KARIM EL-GAWHARY