„Seele muss mit Kopf koalieren“

SPD stimmt dem Koalitonsvertrag zu – bei einem Drittel Gegenstimmen. Fraktion stellt sich hinter Scherf. Sozialsenatorin Röpke: 5-Prozent-Sparquote in ihrem Ressort nicht drin. CDU hat keine Probleme mit dem Vertrag: einstimmiges Ergebnis

taz ■ Aufatmen nicht nur bei Henning Scherf. Mit 127 Ja-Worten stimmte die SPD auf ihrem Parteitag dem zwischen Sozial- und Christdemokraten ausgehandelten Koalitionsvertrag zu. Mit 63 Gegenstimmen wurde aber gleichzeitig deutliche Kritik an dem gut hundertseitigen Papier, das die Grundlage für die Regierungsarbeit der nächsten vier Jahre darstellt, geübt.

Innerhalb einer langwierigen Aussprache warben am Freitagabend insbesondere die Mitglieder der Bürgerschaftsfraktion um die Zustimmung der Delegierten. Sowohl Fraktionschef Jens Böhrnsen als auch die Abgeordneten Joachim Schuster und Frank Piertzok – alle drei durften noch vor einem halben Jahr als Liebäugler mit einer rot-grünen Koalition gelten – verteidigten das Ergebnis der Verhandlungskommission. Böhrnsen sprach von einem „guten Kompromiss“, Piertzok, jugendpolitischer Sprecher, schloss seine Rede mit den Worten: „Wir haben keine vernünftige Alternative. Ich bitte um Zustimmung.“

Auch die Senatoren Willi Lemke und Karin Röpke stärkten Scherf und den Verhandlern den Rücken. Röpke präsentierte sich dabei als Vorreiterin in Sachen Gürtel-enger-schnallen: „Ich musste in der Vergangenheit sparen an Dingen, die mir richtig wehgetan haben“, so die Arbeits- und Sozialsentorin. Den Weg, den sie „im Kleinen“ gegangen sei, müsse die Koalition jetzt im Großen gehen. Allerdings betonte sie, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte 5-prozentige Sparquote für alle Ressorts bei ihrem „überhaupt nicht“ ginge. „Das ginge noch nicht mal, wenn wir alle freiwilligen Leistungen aus dem Sozialetat streichen würden.“ Bildungssenator Willi Lemke konfrontierte die Genossen in einer blassen Rede noch einmal mit dem Dilemma des Koalitionsvertrages: „Ihr wisst, dass wir von Finnland träumen“, betonte er in Anspielung auf die Pisa-Gewinner und fügte gleichzeitig hinzu: „Ich kann mit dem ausgehandelten Kompromiss gut leben.“

Es war der Gesamtbeiratssprecher Kurt Schuster, der in seiner Rede das Kind beim Namen nannte: Die sozialdemokratische Seele sei durch die Vereinbarungen zur Schulpolitik, zum Hollerland und zu den Bäderschließungen „tief getroffen“. Nun aber müsse jeder einzelne Delegierte eine „Koalition zwischen Seele und Kopf“ vereinbaren. Dem Kopf aber böte sich keine Alternative zur großen Koalition.

Scherf selbst griff in seiner Rede noch einmal die rot-grünen Blütenträume mancher Genossen auf. „Die unter euch, die meinen, mit den Grünen könnte man Geld ausgeben, sollten sich die mal genauer angucken. Die sind inzwischen sowas von gegen den öffentlichen Dienst und gegen die Gewerkschaften“. Scherf verknüpfte die Zustimmung zu dem Vertrag nicht nur mit seiner Amtzeit, sondern auch mit der nächsten Regierungsgeneration. „Ich möchte denen keine regierungsunfähige Partei hinterlassen.“ Mit einem Nein zur Koalition träfe man nicht nur ihn, „sondern auch meinen Nachfolger“.

Auch Böhrnsen betonte in seiner Rede, dass „in einem rot-grünen Vertrag 90 bis 95 Prozent identisch gewesen wären.“ Die SPD müsse für soziale Ausgewogenheit sorgen. Bisher sei das über zusätzliche Ausgaben gegangen. „Jetzt müssen wir das neu definieren.“ Er nehme im Übrigen den Auftrag mit, „etwas aus dem Ergebnis dieses Parteitag zu machen“.

Einstimmige CDU

Die CDU stimmte auf ihrem kleinen Parteitag, der zeitgleich stattfand, dem Koalitionsvertrag einstimmig zu. Landeschef Bernd Neumann lobte noch einmal das für die CDU „ausgezeichnete Ergebnis“. Kritischer Diskussionspunkt war hier vor allem das Horner Bad, für das sowohl vor dem CDU- wie vor dem SPD-Parteitag Eltern und Kinder demonstriert hatten. hey