DIE HARMONIE VON NEUHARDENBERG WIRD NICHT LANGE VORHALTEN
: Das Gerangel kommt noch

Glückwunsch, Kanzler: Selbst in der Berliner Medienrepublik ist es bislang noch niemandem gelungen, mit so wenig Inhalt so viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Nach einem langen Winter des Missvergnügens spazierten Gerhard Schröder und seine Minister ein ganzes Wochenende lang mit demonstrativ guter Laune durch den sommerlichen Schlosspark des preußischen Reformers Hardenberg und taten so, als träfen sie hochwichtige Entscheidungen – doch am Ende kam nur heraus, was bereits seit Wochen feststand: Die ohnehin beschlossene Senkung der Steuersätze wird um zwölf Monate vorgezogen. Wer das Vorhaben bezahlen soll, bleibt weiter unklar.

Angesichts des Hickhacks, das es um das Steuergeschenk gab und geben wird, tendiert die erhoffte Wirkung für ein besseres Konsumklima ohnehin gegen null. Das wird auch den Koalitionären kaum entgangen sein, aber nach ihren großspurigen Ankündigungen konnten sich nicht mehr zurück. Und, vor allem: Seinen parteitaktischen Zweck erfüllt das Vorhaben durchaus. Die Opposition gerät einmal mehr in die Zwickmühle zwischen politischer Blockade und konstruktiver Zusammenarbeit. Zu lange hat die Union nach der Entlastung der Bürger gerufen, um das Vorhaben jetzt ablehnen zu können. Ihre Forderung nach einer soliden Gegenfinanzierung mag sogar vernünftig sein – ob sie diesen Einwand einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln kann, steht aber in den Sternen.

Da könnte es für Schröder fast schwieriger werden, die Landesfürsten aus den eigenen Reihen mit ins Steuer-Boot zu holen. Vom angeschlagenen Peer Steinbrück in Düsseldorf bis zu Klaus Wowereit, dem Bürgermeister des finanziell klammen Berlin, reicht die Ablehnungsfront gegen Schröders Charmeoffensive auf Kosten der Länder. Entsprechende Zugeständnisse des Kanzlers vorausgesetzt, werden auch sie sich der Steuersenkung letztlich nicht verweigern. Aber bis es so weit ist, geht das Gezerre und Gerangel weiter. Die hübschen Bilder der hemdsärmeligen Minister im romantischen Schlosspark werden schon bald vergessen sein. RALPH BOLLMANN