Marxisten bringen CDU vors Gericht

Gelsenkirchens Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU) muss sich vor dem Essener Landgericht gegen den Vorwurf des Amtsmissbrauchs wehren. Verklagt hat ihn die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)

GELSENKIRCHEN taz ■ Gelsenkirchens Polit-Prominenz war gestern zu Gast beim Landgericht in Essen. Bestellt hatten die Richter den gesamten Verwaltungsrat der Stadtsparkasse mitsamt Vorsitzendem, Gelsenkirchens Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU). Der Anlass: Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) wirft dem Stadtoberhaupt Amtsanmaßung und politischen Boykott vor. Wittke soll einem der Partei nahe stehenden Vermögensverwaltungsverein (VVV) den Kauf eines ehemaligen Sparkassengebäudes in Gelsenkirchen-Horst verweigert haben.

Der Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen den Marxisten und dem Christdemokraten: Es geht ums Geld und ums Prinzip. Bereits am 19.Oktober 2000 hatte der VVV mit dem Sparkassenvorstand einen Kaufvertrag über die Immobilie abgeschlossen. Eine Woche später hatte der Verwaltungsrat den Verkauf jedoch gestoppt – aus politischen Motiven und auf Initiative von Wittke, sagt die MLPD. Der VVV, der das Gebäude erst drei Jahre später „auf Umwegen“ erwerben konnte, will nun Schadensersatz vom Oberbürgermeister persönlich bekommen. Schließlich habe die Verzögerung des Kaufs zu Mehrkosten von insgesamt 245.000 Euro geführt.

„Es war eine politische Entscheidung der Fraktionen im Verwaltungsrat, nicht an uns zu verkaufen“, sagt MLPD-Sprecherin Anna Bartholomé. Der Verkauf der Sparkasse sei auf Initiative von Wittke kurzfristig von der Tagesordnung einer Verwaltungsratssitzung gestrichen worden. Damit habe der Oberbürgermeister den zu politischer Neutralität gezwungenen Verwaltungsrat instrumentalisiert. „Kungelei hinter verschlossenen Türen ist das“, sagt Marxistin Bartholomé.

Die Stadt will sich nicht zu den Vorwürfen gegen ihren Chef äußern. Wittke sei nicht als Oberbürgermeister angeklagt worden, sondern als Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse, so ein Sprecher.

Wittkes politische Konkurrenten wollen sich der Kritik der MLPD nicht anschließen. Zu einem laufenden Verfahren wolle er sich nicht äußern, sagt Gelsenkirchens SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Haertel. Auch die grüne Fraktionsgeschäftsführerin Ursula Schlauch wollte vor Ende des Verfahrens nicht Stellung nehmen. Gelsenkirchens Kommunalpolitiker hüten sich vor Mutmaßungen: „Bei der MLPD, da muss man aufpassen, was man sagt“, sagt eine. „Sonst hat man ganz schnell die nächste Klage am Hals.“

Gestern konnte noch kein Urteil im Wittke-Prozess gefällt werden: An weiteren Verhandlungstagen sollen laut Sprecher des Gerichts Jochen Schröder noch Zeugen befragt werden.

KLAUS JANSEN