Völlig neue Kompositionen ...

Thomas Kunz revolutioniert die Konzepte der zeitgenössischen Kunst – durch die Anwendung des Parameters Schwerelosigkeit. Sollte man den Mars bebauen?

Thomas Kunz, 22, Erfinder der Weltraumkunst, besuchte in Urdorf das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium. Um „aus seinem angestammten Umfeld bei Zürich auszubrechen“, begab sich Kunz nach Südfrankreich, wo er derzeit an der International Academy of Arts in Vallauris studiert.

Wie erfindet man Weltraumkunst?

Thomas Kunz: Also, ich habe eine Serie von Papierarbeiten angefertigt, mit nach unten hängenden Streifen. Dann kam der Professor Rath zu Besuch und sagte, ich habe da einen Turm, wo man etwas fallen lassen kann.

Den Bremer Fallturm.

Genau. Da kann man etwas durch eine lange Röhre fallen lassen, was dann für 4,74 Sekunden schwerelos ist. So entstand die spannende Frage: Wie würden sich die von der Schwerkraft nach unten gezogenen, hängenden Papierstreifen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit verhalten? Würde die papiereigene Materialspannung wieder die Oberhand gewinnen?

Und?

Ich hatte große Angst, dass gar nichts passiert. Aber die Papierstreifen haben sich tatsächlich aufgerichtet.

Was bedeutet das?

Das ist das erste Kunstwerk, das unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit entstand.

Dann haben Sie ja Kunstgeschichte geschrieben!

Ich hoffe doch.

Und wie geht es jetzt weiter?

Mit diesem Ansatz sind völlig neue Kompositionen möglich, die nicht der Schwerkraft standhalten müssen. Mobiles, die nicht ausbalanciert sind. Oder Architektur, die auf dem Kopf steht. Auch Kapillarkräfte können wieder sichtbar werden.

Aber für wen machen Sie das alles? Im Weltraum ist doch gar niemand!

Uns Künstlern geht es um die Erforschung von Bildideen und Konzepten. Und was potentielle Betrachter angeht: Man muss in die Zukunft denken. Die Russen schießen schon jetzt Touristen ins All. Vielleicht entsteht eines Tages das Bedürfnis nach Kunst während einer Mars-Mission.

Will man im All denn Kunst sehen? Da gibt es doch schon schöne Sterne und Satelliten.

Sicher. Aber mit der Kunst gibt es dort dann auch etwas zweckfrei von den Menschen Gemachtes. Man muss es nicht warten, nicht funktionstüchtig halten. Das ist etwas, das der Seele gut tut.

Interview: Henning Bleyl