Ökos sehen nur Betonköpfe

Naturschutzverbände werfen dem Senat vor, Gelder für ökologischen Ausgleich rechtswidrig zu verwenden. Statt Biotopen baue die Regierung lieber Skaterbahnen. Die weist Vorwürfe zurück

VON SASCHA TEGTMEIER

Wer Wiesen, Blumen oder Wasser in der Stadt zubetoniert, muss an anderer Stelle eine gleichwertige Grünfläche schaffen. So steht es im Naturschutzgesetz. Jetzt erheben der Naturschutzbund (Nabu), der Bund für Umweltschutz und Naturschutz (BUND) und die Berliner Arbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) schwer wiegende Vorwürfe gegen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Die von Investoren für Ökoausgleich bereitgestellten Gelder verwende der Senat „zweckentfremdet“ und missbrauche somit das Naturschutzgesetz. Anstatt die erforderlichen Biotope anzulegen, würden so „betonierte Promenaden“ und „aufwendige Skulpturen“ wie am Spandauer Schifffahrtskanal finanziert.

Ein von den Verbänden in Auftrag gegebenes Gutachten belege darüber hinaus, dass die Senatspraxis gegen das Bundesumweltschutzgesetz verstoße. Die Naturschützer kündigten deshalb an, bei konkreten Projekten gegen den Senat zu klagen. Der erste Fall werde der geplante Spreepark sein. „Das ist kein Umweltschutz, sondern geplante Stadtlandschaft“, sagte Nabu-Landesverbandschef Torsten Hauschild.

Der Referatsleiter für Umweltschutz im Senat, Christian Muhs, wies indes jegliche Vorwürfe der Umweltverbände zurück. „Das Naturschutzgesetz lässt Spielräume offen. Unsere Maßnahmen sind bisher nicht rechtswidrig gewesen“, sagte Muhs der taz. Daran würden auch die neuen Umweltschutzgesetze nichts ändern. Seit zwei Jahren regelt ein neues Bundesgesetz den Naturschutz, in Berlin gibt es einen ersten Entwurf für die Umsetzung auf Landesebene.

Ein Investor ist für den ökologischen Ausgleich in der Praxis nicht selbst zuständig: Er gibt lediglich eine entsprechende Geldsumme an den Senat ab, die nach einem komplexen Ökopunktesystem berechnet wird.

Nach Angaben der Umweltverbände sind seit 1995 mindestens 150 Millionen Euro in die so genannten Ausgleichsmaßnahmen geflossen. Ein Viertel davon wird nach ihren Schätzung gar nicht, ein Drittel nur teilweise realisiert. Stattdessen würden Parkanlagen, Brücken und Radwege geschaffen, die nicht dem ursprünglichen ökologischen Wert entsprechen. „Dadurch wird die Natur doppelt geschädigt“, so Nabu-Chef Hausschild.

Es ist eine juristisch strittige Frage, die sich um den Begriff „gleichwertig“ dreht. Im Umweltschutzgesetz heißt es, dass gleichwertige Flächen als Ausgleich für eine Bebauung geschaffen werden müssen. Muhs von der Senatsverwaltung versteht das so: „Wenn ein Waldstück abgeholzt wird, kann eine neu angelegte Parkanlage gleichwertig sein.“ Bei der Bewertung steht für den Stadtplaner der Erholungswert für die Bürger im Vordergrund.

Den Umweltschützern sind dagegen viele Beispiele der Senatspraxis unverständlich. Beispielsweise könne der Park aus „Skaterbahnen, Steinbecken und massiven Betonwegen“ in Adlershof-Johannisthal keinerlei ökologische Funktion erfüllen. „Der Senat hat ein falsches Verständnis von Naturschutz“, sagte Andreas Jarfe, BUND-Vizegeschäftsführer, „wir müssen ihm hier seine Grenzen aufzeigen.“

Laut Naturschützern könnten die Haushaltskassen der Bezirke von der Entscheidung für Biotope sogar profitieren – die Folgekosten seien geringer als bei aufwendigen Parkanlagen.