Rechtsdialog klammert Todesstrafe aus

Beim deutsch-chinesischen Rechtsdialog in Peking wollte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eigentlich über die Todesstrafe reden. Doch derartige Themen bleiben weitgehend ausgespart. Treffen mit prominentem chinesischem Rechtsanwalt platzt

AUS PEKING GEORG BLUME

Erst reden die Minister zur Begrüßung, dann gibt es ein Gruppenfoto, dann wird die Presse nach Hause geschickt – so geht es jedes Mal, wenn die chinesische Regierung in Peking zum „Rechtsstaatsdialog“ mit Deutschland einlädt.

Dabei ist die chinesische Presse ohnehin nicht präsent. Denn wenn es um „Kernfragen der modernen Rechtsentwicklung“ geht, wie die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries gestern in einem Pekinger Luxushotel bei der Eröffnung des „5. deutsch-chinesischen Rechtsstaatssymposiums“ betonte, wollen die kommunistischen Regierungskader lieber unter sich mit den deutschen Experten sein. Sonst könnte ein „unvorgebildeter“ chinesischer Journalist womöglich seinen Lesern die subversiven Ideen des Baron Montesquieu näher bringen, die Bundesgerichtshofpräsident Günter Hirsch gestern in seiner Eröffnungsrede erwähnte.

Doch das Prinzip der Gewaltenteilung steht im Rechtsdialog mit China nicht zur Diskussion. Hirsch muss das noch lernen. „Es ist schlecht vorstellbar, dass man nur über Fachgebiete redet“, kommentierte er das sehr fachlich orientierte Symposium über „Grundrechtsschutz durch Notstandsregelungen“. Für Hirsch gilt, dass man auch „über das System“ sprechen muss, um den Chinesen „unsere Gedanken über die Gewaltenteilung näher zu bringen“.

Doch genau das vermeidet der vor fünf Jahren von Kanzler Gerhard Schröder und dem damaligen Pekinger Premier Zhu Rongji als Ersatz für direkte Menschenrechtsgespräche auf Spitzenebene ins Leben gerufene Rechtsdialog. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf „Fragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit“, wie ein deutscher Diplomat feststellte. Hirsch bestätigt das. Ob Erbrecht, Kartellrecht oder Wettbewerbsrecht – da erlebt der BGH-Chef die vielen chinesischen Delegationen, die sein Gericht in den letzten Jahren besucht haben, als „hochinteressiert“.

Aber kann das Menschenrechtsgespräche zwischen den Regierungen ersetzen? Leise Zweifel hegt an dieser Stelle vermutlich auch die deutsche Justizministerin. Sonst hätte sie in den letzten Monaten wohl kaum versucht, neue Partner wie den Rechtsanwalt Li Yunlong für den Dialog zu gewinnen. Li ist in China bekannt für seine Kritik an der Todesstrafe, auch weil er selbst in über einem Dutzend Fällen Revisionen von Todesurteilen erkämpfte. Der Staranwalt hat nun in seiner Heimatprovinz Jiangxi die Unterstützung der Sozialakademie gewonnen, um vor Ort das Thema der Todesstrafe in einem deutsch-chinesischen Rahmen aufzugreifen. Zugleich fördert die Sozialakademie in Jiangxi die Einrichtung eines deutsch-chinesischen Strafrechtsinstituts.

Die Todesstrafe und das Strafrecht aber sind bisher nur Randthemen des Rechtsdialogs – und sollen es für einige offenbar bleiben. Denn ein für heute geplantes Gespräch zwischen Zypries und Li musste der Anwalt absagen. „Wir werden die Absage aufklären“, betonte Zypries gestern gegenüber der taz. „Ein Maulkorb für Li ist nicht kongruent mit der Tatsache, dass er sich in China auch sonst in der Öffentlichkeit äußert.“

Tatsächlich geht es nicht um eine Redeverbot für Li. Vielmehr werfen chinesische Diplomaten den Deutschen vor, nicht mit offenen Karten zu spielen. Das Gespräch zwischen Li und Zypries sei von der deutschen Botschaft in Peking zu spät angemeldet worden. Tatsächlich musste auch bei Li der Eindruck entstehen, dass die deutsche Botschaft nicht am Kontakt interessiert war. Seinen Initiativen an der Sozialakademie in Jiangxi schenkten deutsche Diplomaten bislang keine Beachtung. Im Umfeld der Bundesjustizministerin spricht man dagegen wohlwollend von seinen Bemühungen.