Kein Ost-Syndrom

Einzelhandel: 13 Karstadt-Kaufhäuser in Hamburg bestreikt. Es gibt noch immer keine Regelung über den Einsatz an den langen Samstagen

von KAI VON APPEN

Paukenschlag im Tarifkonflikt des Hamburger Einzelhandels beim Karstadt-Konzern: Unter dem Motto: „Jetzt schlägt‘s 13 – Karstadt goes on strike“, rief die Gewerkschaft ver.di gestern in allen 13 Karstadt-Käufhäusern zum Streik auf. Viele Karstadt-Manager zeigten sich von dem gewerkschaftlichen Vorstoß „irritiert“ und „überrascht“. Doch nach fünf erfolglosen Verhandlungsrunden sucht ver.di beim Gehalt sowie insbesondere beim Freizeitausgleich von freien Samstagen für das lange Wochenende den Durchbruch.

„Es ist eine Herausforderung, einen Tag, nachdem die große IG Metall im Osten die Segel streichen musste, so etwas auf die Beine zu stellen“, sagt ver.di-Verhandlungsführer Ulrich Meinecke. „Der erfolglose Streik im Osten sitzt noch in den Knochen.“

Doch ver.di bleibt keine Alternative: Der lange Sonnabend bis 20 Uhr ist Realität, und obwohl man bereits im März mit dem verhandeln begonnen hatte, liegt noch keine Ausgestaltung der neuen Arbeitszeiten vor: „Wir haben eine deutlich verschlechterte Arbeitslage“, schimpft Meinecke und greift dabei Bundeskanzler Gerhard Schöder an. Er habe den Ladenschluss ohne erkennbaren Grund gelockert, um sich als „Modernisierer“ feiern zu lassen. „Er hat die Beschäftigten des Einzelhandels als Geisel genommen und missbraucht für seine politischen Zwecke.“

Denn bereits nach einem Monat langer Samstage zeige sich, dass das Angebot nur wenig angenommen werde. „An den ersten beiden Samstag war es noch voll, jetzt kommen nach 16.30 Uhr nur noch wenige, und diejenigen, die kommen, wären auch vor 16 Uhr gekommen“, so Meinecke: „Es gibt nicht mehr Umsatz, weil die Leute keine Kohle haben.“

Für ver.di ist die tarifvertragliche Regelung des Arbeitseinsatzes am Abend dringend notwendig. Es gebe zwar einige Betriebsvereinbarungen, die den Komplex regeln, jedoch nur durch einen Tarifvertrag könnten die Regelungen mit „Rechtssicherheit und Bestandskraft“ versehen werden. Denn gerade der Karstadt-Konzern ist bekannt dafür, dass er plötzlich auch mal aus der Hüfte schießt und sämtliche freiwilligen Sozialleistungen, die nicht tarifvertraglich abgesichert sind, streicht.

Daher ist die gestrige Aktion für ver.di ein Erfolg – auch wenn das Öffnen der Kaufhäuser bis auf eine Filale in Bergedorf nicht gänzlich verhindert, sondern nur behindert oder verzögert werden konnte. Immerhin haben sich weit über 1000 der insgesamt 3.800 Beschäftigten beteiligt.