RATTEN: OranienburgerEIS: VanniniDRAMA: Die Ratten

RATTEN:

ORANIENBURGER STRASSE

Man müsste es wissen, und im Grunde hat man es geahnt: Mitte ist verseucht. Eine Kloake, in der jugendlicher Leichtsinn Ausdruck sucht und alternde Models nach Parkplätzen für sich und ihren Volvo Kombi. Man läuft die Oranienburger entlang, und da sitzen sie – ganz in Familie beim Essen: Ratten. Sie tun nicht weiter überrascht, lassen sich nicht stören, haben es sich bei „Beckers Fritten“ Oranienburger-/Ecke Auguststraße bequem gemacht, direkt unter dem Stehtisch, an dem ein Touristenpaar seine Currywurst einnimmt. So richtig schön räudig sehen sie aus: Rattenmama, Rattenpapa und Rattenkind. Gruppiert um Pommes-Reste. Fast möchte man näher treten und fragen: „Schmeckt’s?“ Doch das verbietet sich von selbst – Privatsphäre! Man beschleunigt den Schritt – schnell, schnell, die Auguststraße runter, die Augen suchen das graue Pflaster ab. Und tatsächlich: 100 Meter bis zur Tucholskystraße macht: fünf Ratten. Kann man, will man da noch in Straßencafés sitzen, in Kellerbars? Man muss ja, man muss! AM

Ratten. Oranienburger Straße, Mitte, U-Bahnhof Oranienburger Tor, S-Bahnhof Oranienburger. Rund um die Uhr

EIS:

VANNINI

Die östliche Innenstadt war bekanntlich noch im vergangenen Jahr eisfreie Zone. Spätestens aber, seit der Burger King am Rosenthaler Platz seine Filiale geschlossen hatte, befanden sich die Menschen aus Mitte in der speiseeismäßigen Diaspora. Ein kleiner Abendspaziergang „auf zwei Kugeln Vanille“ konnte sich da zum Gewaltmarsch zur „Kleinen Eiszeit“ in die Stargarder Straße auswachsen, halbstündiges Schlangestehen inklusive. Doch auf einmal wachsen die Eisdielen in den Fassadenlöchern, Und eine der aufregendsten ist das „Vannini“ am Kollwitzplatz. Das führt Gelato der Sorten Karotte, Erdbeer-Rhabarber, Apfel-Sellerie oder Melone-Fenchel. Aber der einfache Geschmack kommt natürlich auch nicht zu kurz. KAB

Vannini, Kollwitzstraße 59, U 2 Senefelder Platz, Tel. 44 05 55 08, 10–24 Uhr

DRAMA:

DIE RATTEN

Uraufführung: Berlin, 13. Januar 1911, im Lessing Theater

Auch das Berlin am Anfang des 20. Jahrhunderts übte schon eine große Anziehungskraft auf die Menschen aus. Viele verließen ihre Heimat auf dem (schwäbischen?) Lande und gerieten in den nicht ganz ungefährlichen Bann der Großstadt. Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann sieht den Menschen als triebhaftes und zum Leiden verurteiltes Wesen. Die Gesellschaft scheint in seinen Augen völlig blind vor dem Elend und der Tragik zu sein, welche sich in der Großstadt Tag für Tag ausdrückt.

Kenner-Tipp: im Straßencafé auf der Oranienburger lesen

Die Ratten. Leistungskurs-Thema. Wintersemester-Seminare an diversen Unis. Ullstein TB: 5,95 Euro. Bei eBay ab 1 Euro