„Wir haben unsere Ziele erreicht“

Ruandas Außenminister Charles Murigande bilanziert Ruandas Militärinterventionen in der Demokratischen Republik Kongo: „Was Sicherheit für Ruanda angeht, war es ein Erfolg. Was eine bessere Zukunft für Kongo angeht – das wissen wir nicht“

Interview DOMINIC JOHNSON

taz: Bei Ihrem Deutschlandbesuch letzte Woche hat Bundesaußenminister Joschka Fischer Ruanda aufgefordert, eine positive Rolle im Kongo zu spielen. Was haben Sie ihm gesagt?

Murigande: Ich habe ihm gesagt, dass Ruanda bereits eine positive Rolle spielt. Als 1999 in Lusaka der erste Kongo-Friedensvertrag geschlossen wurde, stellten wir die Kämpfe ein, obwohl wir mit unseren Verbündeten der RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) an den Toren wichtiger kongolesischer Städte standen. Inzwischen sind unsere Truppen komplett abgezogen. Als der innerkongolesische Dialog begann, brachten wir die RCD dazu, Kabila als Präsidenten des Landes zu akzeptieren. Und als vor kurzem Kabila die Vereinbarungen zu Kongos zukünftiger Armee ablehnte, baten wir die RCD, flexibel zu sein. Immer wenn es ein Problem gab, haben wir eingegriffen, um den Friedensprozess voranzutreiben.

Es ist jetzt von einer internationalen Friedenskonferenz für das Afrika der Großen Seen die Rede. Finden Sie das gut?

Ja, aber es sollte nicht die UNO die Konferenz organisieren, sondern die Region selbst. Außerdem wäre es keine gute Idee, die Konferenz abzuhalten, solange die Friedensprozesse für Burundi und Kongo noch laufen. Erst sollten die Friedensprozesse abgeschlossen werden, dann könnte die internationale Konferenz regionale Integration und Zusammenarbeit besprechen.

Mit diesen Diskussionen, mit der internationalen Eingreiftruppe in Bunia und der geplanten Ausweitung der UN-Mission im Kongo scheint das internationale Interesse an der Region zu wachsen. Früher trauten Sie der UNO nicht zu, etwas Sinnvolles in der Region zu tun. Trauen Sie ihr jetzt?

Die UNO ist unsere Familie. Wenn deine Familie dich verrät, bleibt man Familienmitglied und hofft, dass sie sich in Zukunft besser benimmt. Also glauben wir, dass die UN-Familie aus ihren Fehlern lernt und in Zukunft besser arbeitet.

Was müsste die UNO machen?

Erst einmal ein größeres Interesse an den Tag legen. Kongo ist so groß wie Westeuropa, aber wenn es Probleme gibt, hat die internationale Gemeinschaft Schwierigkeiten, 5.000 Soldaten hinzuschicken. Aber wenn es Probleme in Kosovo gibt, ein Land von der Größe einer kongolesischen Provinzstadt, findet die internationale Gemeinschaft leicht 60.000 Soldaten.

Ruanda hatte ja viel mehr als 5.000 Soldaten im Kongo stationiert, unter anderem um die geflohenen ruandischen Milizen aus der Zeit des Völkermordes zu bekämpfen. Haben Sie im Kongo Ihre Ziele erreicht?

Ja, ich denke, wir haben unsere Ziele erreicht. Heute ist Ruanda das friedlichste und sicherste Land der Region. Aber wir haben die Gefahr nicht vollständig gebannt. Ein Grund ist, dass der Kongo sehr groß ist. Ein anderer ist, dass es im Kongo eine Regierung gab, die diese Kräfte ausrüstete und ihnen Zuflucht bot. Das hinderte uns am entscheidenden Schlag. Auch wenn sie sehr geschwächt sind – solange es in Kinshasa eine Regierung gibt, die ihnen hilft, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie uns wieder gefährden. Das versuchen wir zu vermeiden, indem wir bei der Bildung einer Regierung helfen, die unabhängig von diesen Gruppen ist. Denn die jetzige Lage hat Folgen für das Volk und die Regierung des Kongo.

Eben, denn 1996 rückte Ihre Armee im Kongo ein, um die Völkermordmilizen zu zerstören, und stattdessen machte sie Laurent Kabila zum Präsidenten, der sich dann später mit den Milizen verbündete. War das gewollt?

Nein. Wir wollten einfach diese Kräfte destabilisieren, die angriffsbereit an unseren Grenzen standen. Dann entdeckten wir, dass Mobutus Zaire ein Papiertiger war. Der Papiertiger löste sich auf, und Kabila nutzte die Gelegenheit und erklärte sich zum Präsidenten. Das war eine unvorhergesehene Folge unserer Intervention.

Wurde damals je in Ruanda im Kabinett beschlossen, Kabila zu unterstützen, damit er in Kinshasa die Macht ergreift?

Nein. Als Kabila sich zum Präsidenten ausrief, waren alle überrascht!

Sie waren überrascht?

Ich hatte ja nicht einmal mit ihm zu tun. Aber sogar die, die mit ihm zu tun hatten, waren überrascht, sogar Armeechef James Kaberebe. Sie dachten, dass sich irgendwann Kabilas Allianz AFDL hinsetzt und einen Präsidenten ernennt. Es wäre wohl Kabila geworden, aber jemand anders hätte das bekannt gegeben. Aber das ist Vergangenheit.

Schon, aber fassen wir zusammen: Kabila wurde Präsident, obwohl Sie das nicht bezweckten; Sie unterstützten später die RCD, um Kabila zu stürzen, und das klappte nicht – war denn Ruandas Intervention im Kongo 1996–2002 wirklich ein durchschlagender Erfolg?

Was Sicherheit für Ruanda angeht, war es ein durchschlagender Erfolg. Was eine bessere Zukunft für den Kongo angeht – das wissen wir nicht. Aber den Kongo von der Mobutu-Diktatur befreit zu haben, wird positiv in die Geschichte eingehen. Und den Kongolesen gezeigt zu haben, dass keine Diktatur ewig währt, und dass sie jede Diktatur stürzen können, wenn sie sich organisieren – ich denke, das war eine gute Lehre für die Kongolesen.