Auf ins Wirtschaftswunderland

Rot-Grün im von oben verordneten Investitionsrausch: Bis Jahresende muss Bremen fast 60 Millionen aus dem bundesweiten Konjukturprogramm ausgeben, auch die Eckwerte für 2010 stehen

VON HENNING BLEYL

Das Dienstagnacht von der Bundesregierung beschlossene Konjunkturpaket enthält 117 Millionen Euro für Bremen. Die Hälfte muss bis Ende 2009 umgesetzt werden. Heute berät der Senat mit der Handels-, der Arbeitnehmer- und der Handwerkerkammer sowie den Gewerkschaften über Gewichtung und Timing der Maßnahmen.

Von der Bundesregierung ist bereits vorgegeben, dass 65 Prozent für Bildung ausgegeben werden müssen, 35 Prozent für Bau und Verkehr. Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) begrüßt das als „sozial ausgewogene Mischung“, die nun „vor allem unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit“ umgesetzt werden müsse, etwa in Gestalt von Schulsanierungen. Böhrnsen: „Das Programm heißt nicht: ‚Unser Dorf soll schöner werden‘“.

Der Länderanteil an der Finanzierung des insgesamt 13,3 Milliarden Euro schweren Paktes beträgt 3,3 Milliarden, auf Bremen entfallen 29 Millionen. Am Freitag berät Finanzsenatorin Karolin Linnert (Grüne) mit ihren LänderkollegInnen, wie das Geld im Rahmen einer Fonds-Lösung ohne neuerliche Kreditaufnahme aufgebracht werden könnte.

Zeitgleich zum Konjunkturprogramm der Bundesregierung präsentierte der Senat gestern die Eckwerte für den zweiten rot-grünen Doppelhaushalt. Mit einem Volumen von jeweils gut vier Milliarden Euro steigt er um durchschnittlich 1,7 Prozent im Vergleich zum Doppelhaushalt 2008 / 09, die Neuverschuldung 2010 beträgt 532 Millionen, im Jahr darauf 467 Millionen Euro.

Nichtsdestoweniger hat der Senat 33 Millionen Euro für „verbesserte Startchancen für Kinder und Jugendliche“ zusammengekratzt. Diese „Schwerpunktmittel für Bremens Zukunft“ seien von allen Ressorts „solidarisch getragen“, sagt Linnert, „das ist wirklich umverteiltes Geld.“

Fast ein Drittel, 10,3 Millionen, ist für die Verbesserung der Kinderbetreuung vorgesehen: Unter anderem sollen 2010 und 2011 jeweils 350 bis 400 neue Krabbelgruppenplätze geschaffen werden. Nach Angaben des Finanzressorts ist das Budget für Kinderbetreuung von 2007 auf 2011 insgesamt um 34 Prozent gestiegen. Die in Folge des „Fall Kevin“ erhöhten Ausgaben für Kindswohl – 33 zusätzliche Vollzeitkräfte – sollen verstetigt, die Jugendmittel gesichert und das Programm „Stopp der Jugendgewalt“ mit einer Million pro Jahr ausgestattet werden.

Im Schulbereich setzt Rot-Grün weiter auf den Ausbau des Ganztags-Angebots. In den kommenden zwei Jahren sollen in Bremerhaven zwei, in Bremen sechs zusätzliche Ganztagsschulen eingerichtet werden. Eine Millionen Euro pro Jahr soll für einen flächendeckenden Sprachtest für die rund 4.400 Fünfjährigen des Landes ausgegeben werden, dem sich gegebenenfalls verpflichtende Fördermaßnahmen anschließen.

LehrerInnen bleiben ebenso wie PolizistInnen und Feuerwehrleute von Personaleinsparungen verschont. Für die Hochschulen will Rot-Grün weiterhin 7,5 Millionen Euro für „Verbesserung der Lehre“ bereitstellen, zudem bekräftigt Böhrnsen, auf Studiengebühren zu verzichten.

Linnert legt Wert auf die Feststellung, dass der an das Bundesverfassungsgericht gemeldete Ausgabenrahmen im Wesentlichen eingehalten werde. Allerdings habe sich die 2006 angenommene Tariferhöhung um jährlich ein Prozent nicht bewahrheitet – 2008 lag sie bei etwa drei Prozent. Daher müssten die für Tariferhöhungen in der Kernverwaltung eingeplanten Mittel für 2010 und 2011 um insgesamt 28,7 Millionen Euro erhöht werden. Für personalintensive Bereiche außerhalb der Kernverwaltung – etwa das Theater, die Hochschulen, Kita Bremen und Stadtgrün – wird eine „zentrale Vorsorge“ im Landeshaushalt eingerichtet, die für den kommenden Doppelhaushalt mit 30,2 Millionen Euro ausgestattet wird.

Mit Stolz verweist Linnert auf den Umstand, dass 2008 „erstmals seit 16 Jahren“ ein positiver „Primärsaldo“ erzielt worden sei: Rechnet man den Zinsdienst heraus, hat Bremen vergangenes Jahr einen Überschuss von 216 Millionen Euro erwirtschaftet. Da der Zinsdienst jedoch rund 15 Prozent der Bremer Ausgaben verschlingt, hatte Bremen zum Jahreswechsel ein Realsaldo von minus 372 Millionen. Immerhin lässt der Jahresabschluss – neben einer stupenden Steuerentwicklung – strikte Haushaltsdisziplin erkennen: Trotz einer Ausweitung der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialleistungsausgaben um 2,3 Prozent stiegen die Primärausgaben lediglich um 0,9 Prozent – damit liegen die Ausgaben für Personal, sonstige konsumtive Kosten und Investitionen unter dem Niveau von 1998.

Die investiven Ausgaben des Doppelhaushalts 2010 / 11 wollen Böhrnsen und Linnert erst am 24. Februar bekannt geben. Bis dahin soll der Investitionsplan für die Mittel aus dem Konjunkturpaket ausgearbeitet sein und zusammen mit den aus dem Haushalt finanzierten Investitionen „aus einem Guss“ präsentiert werden.