Er hätt’ es anders gemacht

Sie hatten rocky times. Doch bei der Wahlkreisnominierung geht Gerhard Schröder für Sigmar Gabriel in die Bütt. Der Altkanzler spricht bei seinem Auftritt in Wolfenbüttel von paradiesischen rot-grünen Zeiten, rechnet mit alten Gegnern ab und fordert von der SPD, die Zähne zusammenzubeißen

VON KAI SCHÖNEBERG

Er spannt die Haut mit Daumen und Zeigefinger über dem Kinn, bleckt die Zähne, bisweilen erstarrt die Miene zu minutenlangem Dauergrienen. Wolfenbüttel ist nicht Washington, aber Gerhard Schröder ist gut drauf. Noch 268 Tage bis zur Bundestagswahl. Er will sich wie Helmut Schmidt „aus dem, was da in Berlin an Politik gemacht wird“, heraushalten, hebt der Altkanzler an. „Aber“, logisch, „ich hätt’s anders gemacht“.

Die Lindenhalle in Wolfenbüttel, 800 Sozen wollen am Dienstag Abend das inzwischen viel verklärte SPD-Denkmal, aber auch die Nominierung des SPD-Bundestagskandidaten für den Wahlkreis 50 sehen. Wolfenbüttel, Salzgitter und Goslar, die Heimat von Sigmar Gabriel. Der Bundesumweltminister hat sich für den Beginn des Super-Wahljahrs einen Super-Gast in die niedersächsische Prärie geholt.

Die Schröder-Show hat ein klares Kalkül: Steinmeier? Müntefering? Nein, der grantelige Polit-Rentier aus dem Lipperland hat im kommenden Wahlkampf noch was gutzumachen: Wenn er 2002 und 2005 den Umfragen geglaubt hätte, „hätten wir den Hintern nie wieder hochgekriegt“, scheppert Gerhard Schröder die versammelten Genossen an.

Er ist der derzeit wahrscheinlich wirksamste Seelenstreichler der deutschen Sozialdemokratie, wirkt wie Balsam für die 20-Prozent-plus-x-Partei. Claqueure schwenken „Sigmar Gabriel – der Richtige“-Schilder, „Lucifer“ von „Alan Parsons Project“ dröhnt aus den Boxen. Diabolisch grinsend und viril wie zu Jusozeiten schlenzt Schröder in die proppenvolle Lindenhalle, der alte Intimfeind Gabriel und die Cheerleader-Girls vom MTV Wolfenbüttel tapern hinterher.

„Euch mach ich fertig“, hatte Schröder einst die Niedersachsen-Sozen angemotzt, weil die seinen Generalsekretär Olaf Scholz mobbten. Das Kanzleramt sah in Gabriel, damals Fraktionschef im Landtag, eine „tickende Zeitbombe“. Erst fünf Jahre ist das her. Vorbei. „Ihr wisst alle, dass wir nicht immer einer Meinung waren“, schnoddert Schröder und erzählt von „rocky times“. Vergessen. Gabriel habe ja „noch viel vor“ und „noch viel vor sich“, sagt der 64-Jährige.

Am liebsten spricht er über den Gegner. Von der „merkwürdigen Welt“, in der Angela Merkel Kanzlerin ist. Dass jetzt Banken verstaatlicht werden, dass nun die Politik des Stamokap, des Staatsmonopolkapitalismus, Konjunktur habe, die er schon 1978 als Chef der Jusos „komponiert“ habe, verblüffe ihn schon, sagt Schröder. Genüsslich zitiert er Phrasen vom Leipziger Parteitag 2003, als die CDU noch weniger Staat forderte.

Die Häme, als er als Regierungschef in Niedersachsen für 600 Millionen Mark bei der Preussag einstieg, hat Schröder nie vergessen. Das Investment habe sich rentiert, der einstige Kritiker und heutige Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) ist für ihn „einer der größten Schwadronierer, die je in einem Landesparlament saßen“. „Ungereimtheiten“ sieht Schröder auch bei einer „bayrischen Regionalpartei“ und deren Chef Horst Seehofer, einem „schlechten Plagiat von Strauss und Stoiber“.

Dass CSU und CDU im Fernsehen oder bei der Verteilung von Geldern – je nachdem, „wie es ihnen nutzt“ – mal getrennt, mal als Union aufträten, bedürfe „wenn nötig einer rechtlichen Klärung“, donnert Schröder.

Wer nicht dabei war, dem muss Rot-Grün als paradiesische Zeit erscheinen. Deutschlands Politiker setzten Maßstäbe bei Integration, Energiepolitik und Jobs. „Wir haben’s gemacht“, ruft Schröder. Das ist der Altkanzler-Blues: Trotz aller Diffamierungen recht gehabt haben zu wollen. Am Ende fehlt nur die Schröder-Faust. Ach ja, Sigmar Gabriel. Er hat eine ordentliche Rede über Suppenküchen, Bildung, die Asse und Schacht Konrad hingelegt. Und 147 von 151 Delegiertenstimmen abgeholt.