Alles läuft im Revier

Gerard Mortier läutet in der Bochumer Jahrhunderthalle seine letzte RuhrTriennale-Saison ein. Für ihn gibt es aber eine Rückkehr-Option

„Das Problem mit dem Arbeiterpublikum haben wir nicht gelöst, das lässt sich auch nicht lösen“

VON PETER ORTMANN

Der Stachel sitzt immer noch tief. Die Groß-Konzerne in Nordrhein-Westfalen hätten ihn im Stich gelassen. RuhrTriennale-Intendant Gerard Mortier lobt in der Bochumer Jahrhunderthalle nur die Ruhrkohle AG, die inzwischen ein langfristiger Partner sei, und stellt sein voraussichtlich letztes Programm vor, das Kulturminister Michael Vesper (Grüne)„breit gespannt in konzentrierter Form“ genannt hätte, wenn er da gewesen wäre: Die Steinkohle war ihm wichtiger.

Mortiers Abgalopp im Ruhrgebiet hat immer noch unter den 2,5 Millionen Euro Mindereinnahmen der letzten beiden Jahre zu leiden, „die den Charakter des dreijährigen Festivals beeinflusst haben“. Die Dialektik zwischen Streben und Hoffen und dem Schweiß, der hier für wenig Geld vergossen wurde, sei nicht deutlich geworden. „Das Problem mit dem Arbeiterpublikum haben wir nicht gelöst“, sagt Mortier. Das lasse sich auch nicht lösen. Wie sollten Menschen aus Essen-Katernberg sich für Kultur interessieren, die brauchten erst einmal was zu essen und das sei keine Aufgabe der Triennale. Dafür kann sich Mortier über 20 Prozent Jugendliche im Publikum freuen.

Der Vorverkauf läuft prima, zwei Drittel aller Karten sind bereits verkauft, das ist besser als bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen, die Mortier mit verantwortet. Doch Kritik an Frank Castorf gibt es nicht. „Das ist nur so zu machen“, sagt er, das Programm sei komplementär zur Triennale, habe einen eigenen Charakter. Die Durststrecke müsse Castorf eben durchstehen, er könne nur beistehen, wenn es um Geld gehe. Dass der DGB dem Berliner Intendanten kritisch gegenüberstehe, ist für Mortier klar: „Die haben Angst, dass ihre Mitglieder das so nicht mehr wollen“. Der Gewerkschaftsbund sei eben kleinbürgerlich geworden, vertrete auch nur noch solche Mitglieder und die „wollen nur ungern an die Realität erinnert werden“. Aber: „No Fear“

Ein Resümee will der Intendant, der an die Pariser Oper wechselt, noch nicht ziehen. Aber er gibt zu, dass er gerne noch weitere drei Jahre geblieben wäre. Mit seinem Nachfolger Jürgen Flimm, der den Stab im nächsten Jahr übernimmt, hat er bereits ein großes „Suche nach dem Heiligen Gral“-Projekt in Zusammenarbeit mit der Pariser Oper vereinbart. Die Premiere soll in Mortiers Wohnzimmer Jahrhunderthalle stattfinden. „Das Thema könnte eine Antwort auf den religiösen Fundamentalismus geben“, sagt der belgische Weltenbummler in Sachen Hochkultur.

Seit kurzem gibt es für ihn auch eine Rückkehroption. Der Aufsichtsrat der Kultur Ruhr GmbH, die die Triennale veranstaltet, hat sich darauf geeinigt, dass ein Intendant zwei Spielzeiten leiten könne. Mortier könnte also irgendwann einmal reaktiviert werden, wenn das nötig und noch genügend Geld für den Kultur-Event vorhanden sein sollte. Flimm muss schon mit rund einer Million Euro weniger Landesfördermittel auskommen. Zusätzlich laufen 2006 die Ziel II-Mittel der EU aus. Im Haushalt 2007 muss diese Lücke bereits vom Land ausgeglichen werden. Dennoch sei die Ruhr-Triennale auf einem guten Weg, hätte Minister Vesper in der Jahrhunderthalle gesagt. Sie habe Impulskraft in die Region hinein. Doch wie wir wissen, kam er nicht. Steinkohlesubventionen sind in Nordrhein-Westfalen eben doch noch wichtiger.