berliner szenen Unkraut zu Rohstoff

Fair Trade

Kann doch nicht wahr sein, dachte Joey. Die Unternehmertunte redet seit einer Stunde auf Bärbel ein, und die geht gleich auf die Knie vor dem, dachte er. Ikea-Prinzip, Heimarbeit, sagte der Entrepreneur, Büro der Zukunft, jede Bedarfsgemeinschaft ein potenzieller Thinktank, und wippte mit dem Stiefel.

Hörte Bärbel eigentlich hin? Als der Unternehmer anfing, von fair gehandeltem Tee und der Neuerfindung des Volksmotors zu quasseln, hatte Joey genug. Einem Bauern in Bangladesch einen Kleinkredit für eine Bewässerungspumpe zu vermitteln, gut. Besitzt man das Patent für die Bewässerungspumpe, profitabel. Aber wer schenkt dem Bauern den vollklimatisierten BMW, den er sich wünscht?, schrie er.

Hier darf jeder Sozialfall zwei Handys und einen Flachbildschirm besitzen, aber wenn ein Somalier gern eine Digicam hätte und keine Kreiselpumpe? Da kann er lange warten. Jedem Hartzvierer seinen Fünfer, das muss für alle gelten. Schnallt das mal jemand? Joey steigerte sich mächtig rein, und die Galeriegäste umringten ihn. Los geht’s, dachte Manni, der mit Biene drüben bei den Schnittchen stand. Unkraut zu Rohstoff, gnädige Frau, sagte der Entrepreneur. Oder anders ausgedrückt: Turn a problem into an entrepreneurial opportunity. Wir arbeiten Hand in Hand mit ganz kleinen Manufakturen in Thailand. Sind die etwa so klein?, brummte Joey, und hielt die Hand flach in Höhe seines Knies. Der Entrepreneur lachte unsicher. Süß, sagte Bärbel, die heute Abend nicht mehr viel begreifen würde. Joey sah noch, wie sie den kichernden Entrepreneur nach vorn beugte und ihre Kreditkarte auf seinem Rücken durch den Imprinter zog. Das hatte er irgendwo schon mal gesehen.

SASCHA JOSUWEIT