Nahverkehr unter Haien

Hochbahn-Chef Günter Elste warnt vor freiem Wettbewerb bei Bussen und Bahnen. Das hätte fatale Konsequenzen für die kommunalen Haushalte

Die Hochbahn istzwar wettbewerbsfähig,hätte aber gegen Dumpingangebote keine Chance

von GERNOT KNÖDLER

Der Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hochbahn, Günter Elste, hat davor gewarnt, die öffentlichen Verkehrsunternehmen übergangslos dem freien Wettbewerb mit internationalen Konzernen auszusetzen. Dies würde zu einem Oligopol weniger Anbieter mit der Folge höherer Preise führen, sagte Elste, der zugleich Präsident des Verbandes der Deutschen Verkehrsunternehmen (VDV) ist, im Vorfeld der VDV-Jahrestagung. Die solcherart aus dem Markt gekegelten Verkehrsbetriebe würden dann am Tropf der Städte und Gemeinden hängen.

Der VDV vertritt nach eigenen Angaben rund 420 in der Mehrheit öffentliche Verkehrsunternehmen – vom kleinen Stadtwerk bis zur Deutschen Bahn AG – sowie Verkehrsverbünde wie den HVV in Hamburg. Er transportierte im vergangenen Jahr etwa 90 Prozent aller Fahrten in den Bussen und Bahnen Deutschlands: Das sind 9,1 Milliarden.

„Es wird sich eine massive Konfliktlage zwischen den Vertretern der Politik und den Vertretern der deutschen Verkehrsunternehmen ergeben“, sagte Elste für die Jahrestagung am 25. und 26. Mai voraus. Angesichts der größer werdenden Löcher in den öffentlichen Kassen und der damit verbundenen Spardiskussion sei eine Enttabuisierung zu beobachten. Es sei zu befürchten, dass der bisher geltende Konsens aufgeweicht werde, den öffentlichen Verkehr aus Gründen der Mobilitätssicherung, des Umweltschutzes und des Verkehrsflusses zu subventionieren.

Das zentrale Thema des Kongresses werde die Frage sein, auf welche Weise der Wettbewerb um Nahverkehrsleistungen in Deutschland eingeführt wird. Die EU hatte 1996 entschieden, dass der Betrieb von Bus- und Bahnlinien öffentlich ausgeschrieben werden muss. Der billigste Anbieter sollte den Zuschlag erhalten und somit die öffentliche Hand entlasten, die durch Zuschüsse die Fahrkarten verbilligt. Nach Einschätzung Elstes könnte die Mehrzahl der öffentlichen Verkehrsbetriebe bei einem solchen Ausschreibungsverfahren nicht mithalten: Sie hätten zu spät mit effizienzsteigernden Umstrukturierungen begonnen.

Selbst diejenigen, die rechtzeitig begonnen hätten, liefen Gefahr, durch „Global Player“ ausgebootet zu werden. Elste: „Wir sind zwar wettbewerbsfähig als Hochbahn, aber wenn einer unter der Wasserlinie anbietet, habe ich keine Chance.“ Dumpingangebote könnten die öffentlichen Verkehrsbetriebe im Gegensatz zu den auf den lukrativen deutschen Markt drängenden internationalen Konzernen nicht machen. Es bestehe die Gefahr, dass am Ende nur wenige Anbieter übrig blieben und die Preise unter sich ausmachten.

Einen Ausweg bietet in den Augen Elstes eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der Zuschüsse an Verkehrsunternehmen auch dann erlaubt, wenn sie sich am durchschnittlichen Kostendeckungsgrad eines gut geführten Verkehrsunternehmens orientieren.