Geh, bevor der Bagger kommt

Braunkohle statt Dorf: Vattenfall will widerspenstigen Hornoer Hausbesitzer enteignen

Niemand stoppt die Riesenbagger – auch nicht die Karlsruher Verfassungsrichter. Sie lehnten es jetzt ab, über zwei Beschwerden der Grünen Liga Brandenburg gegen den Braunkohletagebau in der Lausitz zu entscheiden. Die UmweltschützerInnen hatten bemängelt, dass der Tagebau, dem dieses Jahr auch das sorbische Dorf Horno zum Opfer fallen soll, ohne Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) genehmigt worden war. Weil eine solche Prüfung nach EU-Recht vorgeschrieben sei, wollten sie den Fall vor den Europäischen Gerichtshof bringen – vergeblich. Das Schicksal des 320-Seelen-Dorfes Horno scheint besiegelt.

Werner und Ursula Domain und ihr Untermieter wollen trotzdem bleiben. Weil sie sich weigern, ihr Haus und ihren großen Garten zu verkaufen, hat Braunkohle-Förderer Vattenfall beim Landesbergamt ihre Enteignung beantragt. Heute beginnt die Verhandlung. Es wäre das erste Mal, dass Bewohner zugunsten eines Tagebaus per Zwangsenteignung aus ihrem Haus getrieben würden, sagt Domains Anwalt Dirk Teßmer. Vattenfall hofft immer noch, dass Domain freiwillig geht.

Anfangs hatte sich fast das gesamte Dorf gegen die „Überbaggerung“ zur Wehr gesetzt. Jahrelang kämpften die Hornoer für den Erhalt ihrer Heimat. Als immer mehr Richter dem Bergbau den Vorrang einräumten, brach der Widerstand ein. „Diese Leute hat man kaputt gemacht“, sagt Norbert Wilke vom Umweltverband Grüne Liga.

Bis auf die Domains haben inzwischen alle Hornoer der Umsiedlung zugestimmt. Von dem Geld, das ihnen der Konzern für ihre Häuser und Grundstücke zahlt, bauen sie neue Häuser im 18 Kilometer entfernten Forst. Ende September, so der Plan, soll Horno gänzlich unbewohnt sein. Selbst die Toten auf dem Friedhof werden dann umgebettet – „pietätvoll“, wie Vattenfall-Sprecher Peter Fromm betont. Ob das neue Horno je das alte ersetzen kann, bezweifeln viele – auch wenn die neuen Häuser teurer seien als die alten.

Bis zu fünf Kilometer breit ist der Streifen, den die Riesenbagger graben, jeden Tag rücken sie einen Meter weiter vor. 17,7 Millionen Tonnen Braunkohle haben sie im letzten Jahr vor den Toren von Horno aus dem Boden geholt. In den beiden Vattenfall-Tagebauen vor Horno und bei Cottbus sowie im Kraftwerk arbeiten rund 4.000 Menschen.

Wegen der Kohle müsse man das Haus seines Mandanten nicht abreißen, argumentiert Anwalt Teßmer. Unter dem östlichen Teil von Horno sei der Flöz nämlich ganze zwei Meter dick. „Es geht nicht um die Kohle unter Horno, sondern um das gesamte Kohlefeld“, sagt Fromm. Hinter dem denkmalgeschützten Dorf lagerten noch 250 Millionen Tonnen, die bis 2019 abgebaut werden sollen. Im Klartext: Horno muss weichen, damit der Bagger durchrollen kann.

Über die Möglichkeit, das Dorf zu umfahren, wie es die BewohnerInnen stets gefordert haben, will Fromm „nicht mehr diskutieren“. Im Gegensatz zum benachbarten Heinersbrück, das so überlebte, rage Horno zu weit in den Tagebau hinein. Die Grube an dieser Stelle noch weiter zu verengen, sei „technisch unmöglich“ und „nicht wirtschaftlich“.

Anwalt Teßmer bezweifelt das. Bestenfalls 10 Prozent weniger Kohle würde der Konzern zwei Jahre lang fördern, wenn er das Dorf erhalte, sagt er. Auch wirtschaftliche Nachteile für Vattenfall – Konzernumsatz 2002: 1,9 Milliarden Euro – seien kein Grund, seinem Mandanten das Haus wegzunehmen. Weil es ganz am östlichen Dorfrand liege, könne es zudem selbst verschont bleiben, wenn Horno ansonsten zerstört werde. Domain weiß, dass auch das nicht leicht für ihn würde. Aber, sagt der 68-Jährige: „Ich werde das schon packen.“ ARMIN SIMON