Dortmund wird den Alten Heimat

Die Europäische Union erforscht die Lage der Arbeitsmigranten, die als Rentner nicht in ihre alte Heimat zurück gehen. Eine Dortmunder Altenbegegnungsstätte gilt als Vorbild bei der Seniorenbetreuung in der fremden Heimat

DORTMUND taz ■ Weil die Fremde schließlich doch zur Heimat wurde, weil die eigene Familie nachkam oder die Gesundheit nicht mehr mitspielt – die Liste der Gründe, warum ältere Migranten nicht mehr in ihre Heimat zurück wollen, ist lang. Seit Jahresbeginn befasst sich ein Projekt der Europäischen Union (EU) mit diesen neuen Senioren, die auch in Deutschland ihren Lebensabend verbringen: „Wir sprechen hier von einer Gruppe, die in vielen Ländern ständig größer wird“, sagt Projektmitarbeiter Reinhard Pohlmann vom Fachbereich für Senioren der Stadtverwaltung Dortmund.

An dem zweijährigen EU-Projekt mit dem englischem Namen SEEM – auf Deutsch heißt das „Soziale Dienste für ältere Angehörige ethnischer Minderheiten“ – beteiligt sich auch der Dortmunder Verein für internationale Freundschaften (ViF). „Seit fast fünfzehn Jahren treffen sich hier ältere Migranten aus zehn verschiedenen Nationen. Wir suchen nach einem gemeinsamen Weg ins Alter“, berichtet Alessandra Alberti, Mitglied des Vereinsvorstandes. „In dieser Form ist das einzigartig in Deutschland“, fügt sie stolz hinzu. Auch Auszeichnungen hätten sie für ihre Arbeit schon bekommen.

Der Weg ins Alter ist für die jetzt auch von der Europäischen Union entdeckte Gruppe nicht einfach: Ihre Integration ist oft nicht wirklich gelungen, die Landessprache ist häufig nur rudimentär vorhanden und die Gesundheit der Alten ist von der harten Arbeit und dem Exilleben überdurchschnittlich belastet, so die Erfahrungen des ViF: „Wir bieten hier Hilfe zur Selbsthilfe, helfen bei Behördengängen oder informieren auch über komplexe Themen wie die Gesundheitsreform“, erzählt Alberti.

Von der internationalen Altenbegegnungsstätte des Dortmunder Vereins, die in diesem Projekt eng mit der Stadt Dortmund und einem Forschungsinstitut für Gerontologie zusammen arbeitet, können jetzt auch die Projektpartner in Großbritannien, Schweden, Frankreich, Belgien oder Rumänien lernen. Zusammen steht für alle beteiligten Länder ein Projektbudget von 400.000 Euro zur Verfügung – unter anderem für Schnupperbesuche. „Bei dem Besuch in der Projektpartnerstadt Leeds ist deutlich geworden, dass die Sprache dort für Migranten nicht so ein großes Problem darstellt wie bei uns – viele Zuwanderer kamen aus ehemaligen Commonwealth-Staaten“, sagt Reinhard Pohlmann. Im belgischen Gent sei man sehr direkt auf die Migranten in Altersheimen zugegangen, habe die Einzelnen interviewt und nach ihren besonderen kulturspezifischen Bedürfnissen gefragt. „Man kann von allen etwas lernen“, meint Pohlmann.

Am Ende des EU-Projektes soll eine so genannte internationale „Good-Practice-Checkliste“ erarbeitet werden und damit einen bedürfnisgerechten Umgang mit älteren Migranten sichern. Informationsveranstaltungen in den beteiligten Städten sollen Mitarbeiter, aber auch die Zielgruppe selbst auf den neuesten Stand bringen. Ein Seminar in Brüssel ist geplant.

Während dessen träumt Alessandra Alberti schon von einem internationalen Wohnheim für ältere Migranten. „Alle zusammen unter einem Dach, das wäre toll“, hofft Alberti. Die fremde Heimat könnte so noch im hohen Alter ihre internationalen Facetten entwickeln.

ALEXANDRA TRUDSLEV