Das neue „Strand-TV“ hat Sand im Getriebe

Ab Montag werden im Köln-Bonner Raum 22 Fernsehprogramme digital ausgestrahlt. Doch die Umstellung auf die neue Technik hält nicht alles, was die Macher großspurig versprechen – weder zu Hause noch in freier Natur

KÖLN taz ■ In der Region Köln-Bonn bricht angeblich bald eine neue Fernseh-Epoche an. „Digital Video Broadcasting-Terrestrial“, kurz DVB-T, soll ab kommendem Montag die totale Unabhängigkeit beim Glotzen garantieren: 22 private und öffentlich-rechtliche TV-Kanäle sollen dann „an beliebigen Stellen“, so die NRW-Landesanstalt für Medien (LfM), mit speziellen Empfangsgeräten zu sehen sein. Am 8. November sollen vier weitere Programme hinzukommen. Beteiligt an dem Projekt sind ARD und ZDF, die LfM, die ProSiebenSat.1 Media AG, RTL, Vox und der WDR.

„Nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch auf dem Balkon oder am Rheinufer“ könne der Zuschauer DVB-T empfangen, schwärmt etwa WDR-Intendant Fritz Pleitgen von der neuen Technik. Konnte man das mit einer analogen Zimmerantenne nicht auch? Doch, konnte man. Bald aber nicht mehr. Denn die analoge Übertragung wird – wie in Berlin bereits geschehen – bald abgeschaltet. Empfängern ohne Kabel oder Satellit bleibt dann nur noch DVB-T. Dass die gepriesene Möglichkeit des Open-Air-Fernsehens eigentlich ganz und gar nichts Neues ist, fällt bei der Euphorie der DVB-T-Macher kaum auf. Einziger nennenswerter Vorteil gegenüber dem analogen Empfang: Ein Informationsmenü ähnlich dem „Videotext“ ist inklusive.

Doch insbesondere die technischen Hindernisse auf dem Weg zum „Überallfernsehen“ (Eigenwerbung) kann manch einer leicht übersehen, der sich nur auf die werbenden Worte der Investoren verlässt. Vor der schönen, neuen Strandfernsehwelt stehen allerdings zwei ganz praktische Hindernisse: Erstens benötigt man für den Empfang von DVB-T einen Decoder, der nicht kleiner – und auch nicht billiger – ist als ein herkömmlicher Videorekorder. Und: Selbst wenn man ein portables TV-Gerät und den Decoder ans Rheinufer geschleppt hat, muss man noch einen Generator hinterherziehen. Denn der Batteriebetrieb ist bei den handelsüblichen Geräten nicht vorgesehen.

Für gehörigen Unmut bei den Zuschauern dürfte außerdem sorgen, dass „bei unzureichendem Empfangssignal das Bild sofort total ausfällt, während beim bisherigen analogen Fernsehen lediglich schrittweise mehr ‚Schnee‘ im Bild auftritt“, so die LfM in einer Infobroschüre. Wilde Flüche bei der Live-Übertragung von Fußball-WM-Spielen sind da programmiert. Auch beim Umschalten kann es durchaus vorkommen, dass man die Antenne neu justieren muss, um wieder Empfang zu haben.

Wer aber all diese Hindernisse überwindet, darf dann – die Zahlung der regulären Rundfunkgebühren vorausgesetzt – ab 24. Mai folgende Programme gucken: Das Erste, ZDF, WDR, NDR, MDR, Südwestfernsehen, Kika im Wechsel mit ZDFdokukanal, Phoenix, 3Sat im Wechsel mit ZDFinfokanal, Arte, EinsMuXx, ZDFdigitext, RTL, Vox, RTL2, Super RTL, Sat.1, ProSieben, Kabel1, N24. Ab 8. November sollen hinzukommen: CNN, Eurosport, Viva und Terra Nova (vormals Onyx). SEBASTIAN SEDLMAYR