Klänge in Feinripp

Freilich fällt manchmal etwas runter: Zwei Duos improvisieren im Sendesaal

Hainer Wörmanntraktiert die Gitarre mit kindlich-konzentrierter Besessenheit

Als Sortierhilfe stand „Free Jazz“ in der Zeitung. Aber der ist längst nicht so frei wie die Freie Improvisation, die es wirklich zu hören gab im Sendesaal. Diese bildete sich als eigenständiges Genre ungefähr zur gleichen Zeit wie Free Jazz, verzichtete aber radikal auf Qualitäten wie Swing, Puls, Melodie. Stattdessen setzt sie auf die Palette der Klänge, die einem Instrument mit Methoden zu entlocken sind, die nicht dem Lehrbuch entstammen. Zwei Duos führten das am Mittwoch in verschiedenen Ansätzen vor.

Die Bremer Hainer Wörmann (Gitarre) und Reinhart Hammerschmidt (Kontrabass) zeigten in einem etwas zu ausgedehnten Set, wieviel Verdichtung bei geringer Lautstärke möglich ist. Wörmann hatte größere Mengen von Effekten zur Verfügung und zudem ein Arsenal weiterer Gerätschaften, behelfs derer er seine Gitarre mit der liebevoll-konzentrierten Besessenheit des spielenden Kindes traktierte. Eine Blechdose fällt auf die Saiten und rutscht an ihnen ab? Ein interessanter Klang, mal sehen, was sich daraus basteln lässt. Hammerschmidt verarbeitete die Töne seines Basses ab und zu elektronisch, konzentrierte sich aber mehr auf das, was sich mit dem Bogen – mal so rum, mal so rum und mal auf die Spitze gestellt – aus dem Instrument locken ließ.

Greg Goodman (Klavier) und George Cremaschi (Kontrabass) aus San Francisco ließen es spektakulärer angehen. Vor allem Goodman, zentrale Figur der kalifornischen Improvisationsszene – und ein begnadeter Komödiant. Zum ersten Stück setzte er sich auf einen Barhocker, löste seinen Gürtel, zog aus einer Plastiktüte eine horrible Herrenunterhose Marke Schießer Feinripp, stülpte sie über den Kopf und fotografierte Publikum, Cremaschi und sich selbst. Auch wenn diese effektvollen Szenen manchmal die Musik überlagerten, gab es großartige Momente wie Goodmans Solo: In dem erschuf er auf lediglich zwei Tasten, einem tiefen Ton und seiner Oktave, eine faszinierende Oberton-Architektur.

So hielten sie die Balance zwischen der bisweilen esoterischen Suche nach dem Inneren des Klangs und dem, was auch Freie Improvisation letztlich sein muss: mitreißende Musik, die leider im Ambiente des Sendesaals und wegen der gedämpften Lautstärke etwas gebremst wurde. Andreas Schnell