Kritischer Mullah-Film wird abgesetzt

Die iranische Filmsatire „Die Eidechse“ über die Herrschaft der Geistlichkeit sorgt in Teheran für Furore

KAIRO taz ■ Es ist die iranische Version des „Hauptmanns von Köpenick“. Der Dieb Reza flieht aus dem Gefängnis, wirft sich eine Robe über und setzt sich einen Turban auf den Kopf, um anschließend die Privilegien der Geistlichkeit zu genießen.

Dass der Film im Iran, der seit 25 Jahren von den Mullahs regiert wird, überhaupt gezeigt werden konnte, war eine Überraschung. Immerhin einen Monat lang lief „Marmoulak“ („Die Eidechse“) in dutzenden von Kinos. Eine Sensation: Der Film gilt als offene Satire über die Herrschaft der Geistlichkeit. Doch auf ihren Druck hin soll der Film heute abgesetzt werden.

Doch „Marmoulak“ ist kein antiislamischer Film. Reza, der Dieb, schafft es am Ende sogar mit seinen einfachen Predigten und seinem toleranten und offenen Zugang, etwa zur Sexualität, wieder zahlreiche Menschen zurück in die Moschee zu bringen. Es ist lediglich die vom verstorbenen Ajatollah Chomeini propagierte Herrschaft der Geistlichkeit, die der Film humorvoll auseinander nimmt.

Der Streifen hat längst als Kinohit iranische Filmgeschichte gemacht. Im Februar gewann er auf dem Teheraner Fajr-Film-Festival den ersten Preis. Allein in der iranischen Hauptstadt hat er in 18 Kinos bisher eine Million Dollar eingespielt. Mehrere Kinos berichten von Vorstellungen, die fünf Tage im Voraus ausverkauft waren.

Was des einen spaßige Politunterhaltung, ist des anderen Leid. Immer wieder meldete sich Ajatollah Ahmad Janati, der Chef des konservativen Wächterrats, als einflussreicher Filmkritiker zu Wort. „Der Film fördert geradezu die soziale Korruption der Gesellschaft“, ließ er ärgerlich verlauten. Er forderte schon seit Wochen ein Verbot. Einmal mehr macht diese Episode deutlich, wie sehr sich ein großer Teil der iranischen Bevölkerung von der Herrschaft der Geistlichkeit entfremdet hat. Kamal Tabrizi, der Regisseur von „Marmoulak“, gibt sich denn auch selbstbewusst. Die wichtigste Botschaft des Films sei es, sagt er, „dass die Geistlichen für ihr eigenes Überleben den Kontakt zur Bevölkerung halten und daher auch kritikfähig sein müssen“.

Mit der Absetzung des Films haben sie beweisen, dass sie genau das nicht sind. Doch „Marmoulak“ ist bereits Teil der iranischen Volkskultur. Jugendliche begrüßen die geistlichen Würdenträger neuerdings gern mit einem „Hallo, du Eidechse“.

KARIM EL-GAWHARY