■ Nicht die heutige RentnerInnengeneration hat die Staatsverschuldung herbeigeführt
: Die Handelnden waren Politiker

betr.: „Die Generation Teneriffa“ (Den heutigen Rentnern geht es blendend …es wird Zeit, dass ihnen die Jungen eine Rechnung präsentieren) von Markus Schubert, taz vom 21. 6. 03

Es grenzt an ein Wunder, dass noch keiner ausgesprochen hat, was so viele in der Generation der 30- bis 40-Jährigen denken: Es gibt eine Art „Generations-Gap“, was das Einkommen und den Lebensstandard angeht, zumindest für die normal angestellten Akademiker. Die Grenze verläuft in etwa bei den jetzt 40-Jährigen, die in den 90ern, als es um den Eintritt ins Erwerbsleben ging, feststellen mussten, dass es tatsächlich wenig Stellen gab und viele Stellen eine Gehaltsgruppe herabgestuft wurden, bevor man sie bekam, und natürlich auf ein, zwei Jahre befristet. Logischerweise stiegen die Leistungsanforderungen gleichzeitig enorm in die Höhe. Die gut dotierten Stellen waren alle noch auf Jahre besetzt (meist von den „68ern“, ein Grund für die bestehende Kluft zu den Jüngeren ist tatsächlich rein wirtschaftlicher Natur!), und es wurde signalisiert, dass die, wenn sie irgendwann frei werden, ebenfalls herabgestuft werden.

Es ist Fakt: Die Jüngeren haben deutlich niedrigere Gehälter und selbst die nur „auf Bewährung“, und es scheint, als ob das kein Mensch wahrnimmt. Gut, kann man sagen, es liegt an der wirtschaftlichen Entwicklung, da kann man nichts machen. Völlig unverständlich ist es dann aber, wenn man von seinem magereren Gehalt eine erhebliche Summe abzwacken muss, um andere die schlechte wirtschaftliche Lage gar nicht erst spüren zu lassen!

[…] Es gibt wichtigere Dinge, größere Probleme, als sich um den eigenen Bauch zu kümmern, wo man doch immer noch zu den reichsten Ländern der Welt gehört, mögen jetzt viele sagen. Das stimmt. Aber je mehr Leute sich um den eigenen Bauch kümmern müssen, desto weniger können sich diesen großen Problemen widmen. […] U. ZIMMER, Berlin

Markus Schubert scheint bei diesem Bericht „wütend“ gewesen zu sein, und das ist nicht immer gut, verstellt doch Wut – hin und wieder – den Blick auf die Wirklichkeit. Ich sag mal, was hier aufgezählt wird, betrifft – ich schätze – maximal zehn Prozent der RentnerInnen! Insoweit betrachte ich diesen Bericht eher als subjektiv und/oder nachhaltig oberflächlich!

Ich selbst bin Jahrgang 1942, fast immer Alleinverdiener, zwei Töchter (derzeit nach Beruf studierend). Ich war mit Familie insgesamt zirka fünfmal im Ausland, cirka viermal Italien/Südtirol) einmal im Elsass. Ansonsten Urlaub zu Hause oder kurz in Österreich (direkt vorm Haus. Gründe u. a. auch: Häuselbauer, eklatante Benachteiligung von Familien mit Kindern. Da wir in einer wunderschönen Gegend (Rupertigau/Chiemgau) leben, war’s für uns kein „Verlust an Lebensqualität“.

RUDOLF DANIEL, Tittmoning

Wollte man auf dem Niveau des Kommentars von Schubert fortfahren, so könnte man sagen, dass es eine der zahlreichen Verfehlungen der „Generation Teneriffa“ war, Markus Schubert Politologie studieren zu lassen. Diese Investition war zwar sicher preiswerter, aber offensichtlich genauso nutzlos wie die in den schnellen Brüter von Kalkar.

An sich benötigt man ja kein sozialwissenschaftliches Studium, um einsehen zu können, dass eine Generation niemals als politisches Subjekt oder soziale Einheit zu betrachten ist. Es ist also nicht die heutige Rentnergeneration, die die Staatsverschuldung herbeigeführt, den Sozialstaat ausgebaut, viel zu spät ökologische Probleme gewillt war zur Kenntnis zu nehmen … Die Handelnden waren in diesen Fällen Politiker, eine winzige Minderheit also, die noch dazu über jede einzelne Maßnahme und Unterlassung gestritten hat.

Diejenigen, die nicht zu dieser Minderheit gehörten, haben sich zu all diesen Prozessen mehr oder weniger zustimmend oder ablehnend verhalten – Schubert tut so, als sei politischer Streit eine Erfindung der letzten Jahre. Und es ist leider auch überhaupt nicht so, dass die heutigen Rentner es sich mehrheitlich leisten könnten, die Hälfte des Jahres auf irgendwelchen Mittelmeerinseln zu leben. Mein monatlicher Beitrag zur gesetzlichen Rente (nur Arbeitnehmeranteil) beträgt 440 Euro – und ich kann nicht finden, dass das Anlass zu irgendwelchen Tiraden ist.

FERDINAND BURGHARDT, 44 Jahre, Bochum

Es ist ja in Zeiten des Neoliberalismus allgemein üblich geworden, aufzuhetzen: die Arbeitnehmer aller Couleur gegeneinander (nicht etwa gegen die Arbeitgeber!), die Arbeitenden gegen die Arbeitslosen und umgekehrt und alle gegen die Sozialhilfeempfänger. Man redet uns ein, dass wir faul und verwöhnt waren und dass schwer erkämpfte Errungenschaften wie Tarifverträge, Krankengeld und Kündigungsschutz überflüssiger Luxus (für die Massen) seien und die Industrie in den Ruin treiben. Wer Arbeit hat, soll froh sein, dass ihn sein Unternehmer noch „durchfüttert“, und nicht noch auf „nicht mehr zeitgemäße“ Rechte pochen. Man denkt an Liebermann und möchte fressen, bis man kotzt!

Neid und Hass werden geschürt und zur Abwechslung mal wieder auf die Alten gelenkt, die nun nicht nur schuld seien an der Finanzmisere und dem kommenden Elend der Nachkommen (als hätte es keine Plünderung der Rentenkassen seitens des Staates gegeben!), sondern angeblich alle auch noch in Saus und Braus leben – durch die „ständigen“ Rentenerhöhungen von zirka zehn Euro pro Monat. So werden Sündenböcke geschaffen, wo es gerade zu passen scheint, und das Terrain für weiteren Abbau von Rechten vorbereitet, und auch die taz, die ja irgendwann einmal eine linke Zeitung gewesen sein soll (aber auch das ist ja wohl nicht mehr zeitgemäß), ist sich nicht zu schade dafür, sich an dieser miesen Stimmungsmache und Treibjagd zu beteiligen. Und alle heulen mit und lassen sich gegeneinander hetzen, anstatt sich nach den wahren Feinden umzusehen! SIGRID WIEGAND, Berlin

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