Zwei Erinnerungsarbeiten

Nicolas Stemann und das Teatro Officina São Paulo mit Premieren bei den Ruhrfestspielen. Die taz verlost Karten

„German Roots“ erzählt die Geschichte einer deutschen Familie von 1935 bis 2035. Von der Aufbruchstimmung des Dritten Reiches über den Zusammenbruch im alliierten Bombenhagel zur Wirtschaftswunder-Euphorie der fünfziger Jahre, anschließend Marginalisierung durch die Gen-Mächte der Global Communitiy (GC) und der endgültigen Fall auf den Stand eines Entwicklungslandes gegen Ende der 2020er. Im Laufe dieser Zeit lösen sich Struktur und Tradition der Familie zunehmend auf, am Ende bereiten sich die Kinder auf den größten aller Generationskonflikte vor, an dessen Ende es um Leben und Tod gehen wird.

Nicolas Stemanns Uraufführung von „German Roots“ bei den Recklinghäuser Ruhrfestspielen (Premiere Ende nächster Woche) trifft auf eine Zeit, in der die Erinnerungen an die deutsche Vergangenheit wegen dem endgültigen Wegsterben all jener, die den Zweiten Weltkrieg, die Zeit davor oder kurz danach noch bewusst miterlebt haben, langsam verblassen.

In Israel gibt es „Roots-Projects“ zur persönlichen und kollektiven Herkunft an den Schulen und Universitäten: Die Schüler werden dazu angehalten, ihre Eltern und Großeltern zu befragen. Erinnern und Bewahren sind wesentliche Grundlagen der jüdischen Kultur. „German Roots“ ist der Versuch eines deutschen Projekts. Aber ist deutsche Geschichte überhaupt als Familiendrama zu erzählen oder befindet man sich sofort wieder auf der falschen Seite?

In der nächsten Woche hat auch „Krieg im Sertão“ vom Brasilianer José (Zé) Celso Martinez Corrêa Premiere. „Teatódromo“ nennt der über 60-jährige Regisseur sein „Teatro Oficina“ in São Paulo. Der Theaterraum ist so schmal und lang wie eine Straße, vielleicht 4 mal 40 Meter, und die Zuschauer säumen ihn über vier Stockwerke in einem fest in diese ehemalige Fabrik hinein installierten Baugerüst. In der Grubenausbauwerkstatt der Zeche Auguste Victoria in Marl-Hüls wurde das Teatro Oficina in seiner besonderen Architektur eigens aufwändig nachgebaut; auch hier kann dann in mehreren Stockwerken gesessen und auf das Geschehen im „Teatódromo“ herabgeblickt werden.

Zé Celso, bereits Ende der 60er Jahre als theatraler Exponent der „Tropicalismo“-Bewegung zur Legende geworden und mittlerweile offiziell als einziger lebender Mensch zum „Brasilianischen Kulturerbe“ zählend, erforscht das Stück „Krieg im Sertão“ schon seit zwanzig Jahren auf seine Theatertauglichkeit. Seit zwei Jahren arbeitet er mit seiner Gruppe „Uzyna Uzona“ im Teatro Oficina auch konkret an der Umsetzung der Dramatisierung. 40 professionelle Schauspieler werden in Brasilien von rund 40 Straßenkindern aus Theaterworkshops unterstützt. Da die Kinder nicht mit nach Europa reisen können, werden ihre Auftritte bei den Ruhrfestspielen von Kindern aus dem Ruhrgebiet übernommen, mit denen das Teatro Oficina zuvor auch einen Workshop veranstaltet hat. PEL

Jeweils 3 x2 Karten für die Stemann-Termine am 28., 29. und 30. Mai und für „Krieg im Sertão“ am 28. Mai gibt es zu gewinnen. Mail an: verlag@taz-nrw.de