Strittige Bedarfslage

SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz fordert Ausweisung von Terrorverdächtigen. Deutscher Anwaltverein erneuert Kritik an Plänen, das Ausländerrecht zu verschärfen

Hamburg dpa/taz ■ Der innenpolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hat auf dem Deutschen Anwaltstag in Hamburg die Ausweisung der Terrorverdächtigen Mounir El Motassadeq und Abdelghani Mzoudi gefordert. In einer Diskussion zur „Terrorismusbekämpfung durch Ausländerrecht“ sagte Wiefelspütz gestern, dass beide möglicherweise freigesprochen würden, sei „gelebter Rechtsstaat“. „Ich bin jedoch dafür, dass beide so rasch wie möglich aus Deutschland hinausbefördert werden“, so der SPD-Politiker. Während im Strafrecht „im Zweifel für den Angeklagten“ zu gelten habe, müsse es in Fragen der Gefahrenabwehr um den Grundsatz „im Zweifel für die Sicherheit des Landes und der Bevölkerung“ gehen.

Im weltweit ersten Prozess um die Anschläge vom 11. September 2001 war Motassadeq in Hamburg zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung aber wieder auf. Mzoudi war in einem späteren Prozess vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen mangels Beweisen freigesprochen worden.

Im Rahmen der Tagung hatte der veranstaltende Deutsche Anwaltverein (DAV) die geplante Verschärfung des Ausländerrechts scharf kritisiert. DAV-Vorstandsmitglied Victor Pfaff kritisierte, die geplante Abschiebeanordnung durch das Bundesinnenministerium bereits auf Grund einer „Terror-Prognose“ bedeute eine Abkehr von rechtsstaatlichen Prinzipien.

Wiefelspütz sagte, niemand werde wegen Gerüchten ausgewiesen: „Wenn sich Hinweise auf terroristische Aktivitäten verdichten, muss eine Ausweisung aber möglich sein.“ Der Unionsobmann im Innenausschuss des Bundestages, Thomas Strobl (CDU) sagte: „Das bestehende rechtliche Instrumentarium reicht nicht aus, um sich der Herausforderung des internationalen Terrorismus zu stellen.“ Daher müsse schon die Annahme, dass ein „terroristisches Gefährdungspotenzial“ vorliege, als Ausweisungsgrund genügen. In einem Positionspapier hatte Strobl betont, das Ausländerrecht sei „nicht nur ein Einreise-, sondern auch ein Ausreiserecht“.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), wandte sich indes gegen eine Verschärfung des Ausländerrechts, weil dafür schlicht kein Bedarf bestehe. Die nach dem 11. September 2001 geschnürten Anti-Terrorpakete enthielten bereits „einen breiten Katalog an Ausweisungsmöglichkeiten“, so Beck. Eine Verschärfung des Ausländerrechts, wo es mit Terrorismus gar nichts zu tun habe, würde zudem den „Kampf der Kulturen von unserer Seite aus anheizen“. aldi