Gütersloher Kultur-Transfer

Bertelsmann-Gala in Peking: Wie Liz Mohn versucht, dem zweitgrößten Medienkonzern der Welt in China Bodenhaftung zu geben – mithilfe von RTL, vor allem aber mit dem guten, alten Buchclub

AUS PEKING GEORG BLUME

Deutschen Autobossen, die sich derzeit alle nach großen Auftritten in China sehnen, hätte man so ein Ranschmeißen in Peking nicht mehr durchgehen lassen. Doch Liz Mohn in weißer Seidenbluse umweht der Charme der großen alten Dame des deutschen Verlagswesens. Statt Autos verkauft ihr Unternehmen, die Bertelsmann AG, in China bislang vor allem Bücher. Die braucht die Volksrepublik auch viel dringender als noch mehr deutsche Blechkarossen. Und deshalb geht es dann auch in Ordnung, wenn Liz Mohn gestern zu ihren Gastgebern von der Pekinger Regierung sagt: „Wenn es geht, wollen wir Hand in Hand in die Zukunft gehen.“ Wer wollte von Bertelsmann schon verlangen, subversive Literatur in China zu veröffentlichen?

Zumal das „Internationale Kulturforum mit Galakonzert“, zu dem die Bertelsmannstiftung am Freitag in das glasglänzend neue Pekinger Hyatt-Hotel geladen hat, nur der Tusch für den chinesischen Markteinstieg des Medienkonzerns sein soll. „Es ist das erste Mal, dass wir uns hier so der Öffentlichkeit darstellen“, erklärt ein Stiftungsmitarbeiter. Womit nicht nur die Stiftung, sondern auch der Konzern gemeint ist: „Bertelsmann gilt als internationales Medienunternehmen“, sagt Liz Mohn, als wüsste das in China niemand. Doch das Understatement kommt hier nicht. Welchen Eindruck sie von China habe, wird Mohn von einer chinesischen Journalistin gefragt. „Freiheit, Lebensqualität und Lebensfreunde, nichts ist mehr grau in grau“, antwortet sie. Doch das will die Journalistin gar nicht wissen: „Welche Strategien verfolgen Sie hier?“ Da gibt Mohn das Mikro ab an ihre Manager.

Die aber haben nicht viel zu melden: Im Fernsehgeschäft gehe es gerade erst ums „Kennenlernen der Szene“, sagt der mitgereiste RTL-Chef Gerhard Zeiler. Zwar hofft Zeiler auf eine Öffnung des TV-Marktes für die Produktion, und „auch im Sendewesen“, doch sei das noch „Zukunftsmusik“. Bisher gibt es nur in der Provinz Guangdong Pilotbeteiligungen ausländischer Medienunternehmen an inländischen TV-Sendern.

Etwas besser läuft es im Buchgeschäft: Hier kann Bertelsmann-Vorstand Ewald Walgenbach auf derzeit 1,5 Millionen Mitglieder im chinesischen Buchclub von Bertelsmann aufbauen. Innerhalb von drei Jahren sollen es 5 Millionen werden, wofür man allein in diesem Jahr 50 neue Clubfilialen im ganzen Land eröffnen will. So kommt es, dass Bertelsmann in China, wegen der weitgehenden politischen Einschränkungen für die internationale Zusammenarbeit im Medienbereich, heute ausgerechnet auf dem Gebiet reüssiert, mit dem er einst in der deutschen Nachkriegszeit groß geworden ist: dem Buchclub.

Das allein war für den wachstumsfanatischen Ex-Bertelsmannchef Thomas Middelhoff Grund genug, das China-Geschäft jahrelang links liegen zu lassen. Ganz anders aber denkt nun die, die ihn entlassen hat: „Wenn die Menschen nicht lesen und schreiben können, kommen sie im Leben nicht weiter“, erzählt Liz Mohn im Geist der alten Gütersloher Unternehmenstradition und träumt davon, mit ihrem Buchclub „der chinesischen Landbevölkerung zu helfen“. Wie sie überhaupt nichts ungesagt lässt, was ein Global Player wie Bertelsmann gewöhnlich nicht leisten kann: „Wir müssen die Menschen da lassen, wo sie zu Hause sind, und dürfen andere Kulturen nicht entwurzeln“, fordert Mohn. Aber was machen die US-Medienriesen heute anderes, als die Chinesen mit Hollywood-Filmen ihrem kulturellen Umfeld zu entreißen?

Aber auch, wenn RTL in China in ein paar Jahren nichts anderes als Walt Disney machen wird, mit ein paar ungewöhnlichen Auffassungen ist Mohn gestern in Peking angetreten. Am Ende schimpfte sie sogar auf die deutschen Wirtschaftsführer, die sich in China nie genug Zeit nehmen würden, den Menschen ihre Tätigkeit zu erklären.

Mohn ist eben doch eine Bücherverkäuferin geblieben.