REDEN, REISEN, BLECH VERTEILEN: WIR BRAUCHEN KEINEN PRÄSIDENTEN
: Horst macht den Grüßaugust

Am Sonntag wird Deutschland auf eine der überflüssigsten Veranstaltungen der Republik schauen: die Wahl des Bundespräsidenten. Natürlich, der Präsident unterzeichnet Gesetze, darf Orden verleihen, Hochzeiten europäischer Adelshäuser besuchen und wichtige Reden halten.

Dabei zeugt der Gedanke, dass das Land einer speziellen Person bedürfe, die seinen Bewohnern ab und an den Weg in eine sonnigere Zukunft weist, von einem überkommenen und autoritären Staatsverständnis. In einer Demokratie genügen die Überzeugungen allein des Souveräns, also von uns allen. So überflüssig wie moralische Appelle sind die weiteren Amtshandlungen des Bundespräsidenten. Wer sich um dieses Land und seine Bewohner verdient gemacht hat, gehört herzlichst beglückwünscht. Eine Ehrung aus Blech aber dient niemandem außer der Blechindustrie. Und Gesetze unterzeichnen oder ausländische Staatsoberhäupter begrüßen kann genauso gut der Bundestagspräsident oder der Bundeskanzler.

Die politischen Parteien haben das längst erkannt. Sonst würden sie zur Wahl des Bundespräsidenten nicht regelmäßig derartiges Personal anbieten. Seit Jahrzehnten dient dies Amt als vorletzter Lebensabschnittsplatz für abgehalfterte Politiker. All die Scheels, Carstens, Weizsäckers, Herzogs und Raus waren oder sind nichts anderes als mehr oder weniger verdiente Männer, denen man mit dem höchsten Amt im Staate den Abschied versüßt hat. Noch peinlicher sind nur noch die Kandidaten der Verliererseite: Aufgestellt werden in aller Regel integere, politisch weit denkende weibliche Persönlichkeiten, allerdings mit dem klitzekleinen Nachteil, dass ihnen anschließend niemals ein ähnlich hohes Amt zugefallen wäre – Zählkandidaten eben, mit denen sich eine Partei schmückt und diese anschließend wieder entsorgt.

Man mag zu dem Einwand kommen, der morgen zu wählende Horst Köhler sei weder abgehalftert noch ein Parteipolitiker. Doch das macht es nur noch schlimmer. Köhler ist schließlich nicht deswegen zum Kandidaten geworden, weil Union und FDP den Banker für den Besten halten, sondern weil keine Einigkeit für einen anderen Mann erzielt werden konnte. Insofern stellt die Wahl Köhlers einen weiteren Abstieg dar – statt eines Politikrentners repräsentiert uns künftig der kleinste gemeinsame Nenner. Doch glücklicherweise ist das auch nicht weiter tragisch. Wenn die Politik der Meinung ist, Deutschland benötige die Institution des Grüßaugusts, mag sie weiterhin alle fünf Jahre zur Wahl schreiten. Es bleibt dem Souverän überlassen, anschließend dessen weisen Worte Gehör zu schenken – oder nützlicheren Dingen nachzugehen. KLAUS HILLENBRAND