Kein Geld vom Staat, kein Gang zur Börse

Der Sparzwang des Bundes plagt die Bahn: Weil Zuschüsse gestrichen werden, sind nicht nur Neubaustrecken gefährdet. Auch mit dem lange geplanten Börsengang könnte es laut einem Gutachten neue Probleme geben

BERLIN taz ■ Wenn die rot-grüne Regierung der Deutschen Bahn AG nicht mehr Geld gibt, wird nichts aus der geplanten Börsenfahrt. Das rechnet das Finanzinstitut Morgan Stanley in einem Gutachten für den Bund vor. Nachdem es wochenlang unter Verschluss gehalten wurde, soll es am morgigen Sonntag vorgestellt werden. Erste Ergebnisse sickerten schon gestern durch.

Das Schienenunternehmen ist der letzte große Staatskonzern, der privatisiert werden soll – wenn es nach Bahnchef Hartmut Mehdorn und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) geht, möglichst noch vor der Bundestagswahl 2006. Sie versprechen, der hoch subventionierte bürokratische Koloss werde moderner, sprich: kundenfreundlicher. Und der Verkauf der Aktien bringe Geld in die leeren Staatskassen – wenn auch nur einmal.

Eine Volksaktie wie die Telekom soll das Bahnpapier allerdings nicht werden. Als Käufer sind Großanleger wie Banken, Versicherungen oder Fonds im Gespräch. Für Aktionäre sei die Bahn aber nur attraktiv, wenn der Bund für das Schienennetz langfristig Milliarden zuschießt, so die Investmentbanker. Nur: Die Haushaltsmittel werden derzeit gekürzt, von Aufstocken kann keine Rede sein. So meldete die Financial Times gestern, die Gelder für den Ausbau und Erhalt der Gleise sollten bis 2008 auf 2,86 Milliarden Euro pro Jahr sinken. Im letzten Jahr lagen sie noch bei 4,3 Milliarden Euro. Die Süddeutsche Zeitung berichtete, dass wegen der Sparpläne auch die umstrittene ICE-Neubaustrecke Nürnberg–Erfurt gefährdet sei. Laut einem internen Papier des Bundesverkehrsministeriums sollten bis 2008 nur noch 70 Millionen Euro pro Jahr investiert werden – um das Baurecht zu erhalten. Die ICE-Strecke von Mannheim nach Frankfurt/Main und der Ausbau der Linie von Hamburg nach Lübeck sollen ganz gestrichen werden.

Am kommenden Mittwoch befasst sich das Kabinett mit der Börsenbahn. Inwieweit es dem Rat der Gutachter folgt, ist fraglich. Das Verkehrsministerium wollte sich gestern nicht äußern. Zumindest hat Morgan Stanley die Privatisierung inklusive Schienen geprüft. Und das widerspricht den Forderungen der Verkehrsexperten aller Fraktionen. „Das wäre so, als kümmerten sich Daimler Chrysler, Ford oder Volkswagen nicht nur um ihre Autoproduktion, sondern auch um die Straßen“, erklärte Edda Müller vom Bundesverband der Verbraucherschützer. „Wie viele Wege gäbe es dann noch auf dem Lande?“ Die Befürchtung von vielen: Schickt der Bundeskanzler die Bahn mitsamt Netz an die Börse, machen noch mehr kleine Bahnhöfe dicht. HANNA GERSMANN