Wirtschaft gibt Widerstand auf

Handelskammer-Chef Frank Horch relativiert Kritik an sechsjähriger Grundschule: „Wir stellen uns nicht generell dagegen.“ Schulsenatorin Goetsch verkündet Teilverschiebung der Reform

VON KAIJA KUTTER

In der Schulpolitik wurde gestern die Friedenspfeife geraucht. Am frühen Morgen erklärten Hamburger Wirtschaftsvertreter, dass sie unter Umständen mit der Primarschule leben könnten und forderten eine „zeitliche Entzerrung“. Am Nachmittag gab GAL-Schulsenatorin Christa Goetsch eben dies bekannt. Die 5. Klassen würden „optional“ an der Reform teilnehmen, erklärte sie. Zwar beginnt dann für die Jahrgänge 1 bis 4 die Primarschule wie geplant. Ob sie einen 5. Jahrgang aufnehmen oder damit ein Jahr warten, sollen die Schulen selber entscheiden. Die Eltern heutiger Drittklässler sollen die Wahl haben, ob sie ihr Kind auf Gymnasium oder Stadtteilschule anmelden oder auf einer Primarschule lassen.

Den gestrigen Pressekonferenzen war ein Gespräch zwischen Wirtschaft und Senatorin vorangegangen. Denn das Jahr hatte mit einem Paukenschlag begonnen. Bei seiner Silvester-Ansprache hatte Handelskammer-Chef Frank Horch die Primarschule als aus der Not geborenen Kompromiss bezeichnet und gefordert: „Wir sollten von dieser Art Reform ablassen“. Daraufhin titelte das Abendblatt: „Wirtschaft fordert vom Senat: Stoppen Sie diese Reform“.

Nur spricht die Wirtschaft in Bildungsfragen nicht nur mit einer Stimme. Der Unternehmerverband Norddeutschland hatte im Herbst 2007 in einem Positionspapier sogar explizit die sechsjährige Grundschule gefordert. Und auch andere einflussreiche Hamburger Unternehmer waren nicht glücklich über Horchs Einmischung in die Senatspolitik.

Handelkammer, Handwerkskammer und Unternehmerverband Nord traten darum nun gemeinsam vor die Presse und gaben eine Stellungnahme ab, in der nur noch von einer „gewissen Skepsis“ gegenüber der Primarschule die Rede ist. „Wir stellen uns nicht generell dagegen“, ruderte Handelkammer-Präses Horch zurück. Nötig wäre aber, dass die Reform „mit zeitlichem Augenmaß“ umgesetzt werde. „Es gibt massive Unruhe unter den Eltern der Gymnasien“, ergänzte Handwerkskammer-Chef Peter Becker. „Wir glauben, dass hier mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.“

Der Präsident des Unternehmerverbands Nord, Hans Driftmann, fing gleich damit an. „Es gibt wissenschaftliche Theorien, die sprechen für die Primarschule“, erklärte er. Auch bei den PISA-Studien hätten jene Schulsysteme gut abgeschnitten, die den Schülern während ihrer Laufbahn wenig Veränderungen zumuten. Driftmann: „Das hat viel mit Psychologie zu tun.“ Es gebe mehrere Unternehmer in Hamburg, die es für richtig halten, die sechsjährige Primarschule einzuführen. Allerdings warnte auch Driftmann vor zu viel Eile. „Wenn wir sagen, wir schaffen die Primarschule aus dem Stand heraus, würden wir uns versündigen.“

Die grüne Schulsenatorin sagte, sie sehe „mit Freunde, dass die Wirtschaft in den Dialog getreten ist“. Die Frage, ob die Teilverschiebung für die 5. Klassen ein Scheitern ihrer Reform bedeute, beantwortete sie schlicht mit „Nö“. Goetsch: „Ich habe dies entschieden, weil es so am vernünftigsten ist.“

Die heutigen 3. Klassen sind in einer Sonderrolle. Wenn sie 2010 in die Primarschule kommen, haben sie nicht, wie jüngere Jahrgänge, zuvor den Fachunterricht und verstärkten Englischunterricht genossen, sondern wurden noch nach alten Bildungsplänen unterrichtet. Deshalb wird nur für diesen Jahrgang eine Ausnahme gemacht. Die heutigen 1. Klassen und 2. Klassen werden ab 2010 als dann 3. und 4. Klassen nach Primarschulkonzept unterrichtet. Auch wird jede Grundschule „Primarschule“ heißen.

Schulen, die sich per Schulkonferenzbeschluss dafür entscheiden, können gleich eine 5. Klasse bilden. Die Befürchtung, es könne ein Planungschaos geben, teilt sie Senatorin nicht. Die Mehrheit der Schulen werde wohl ein Jahr warten.