Im Findorffer Dirndl

Pago Balke lehrt im Brauhauskeller gutes Benehmen

Nein, der Herr im Freizeitjackett war eindeutig nicht der Gelegenheit angemessen angezogen! Ein junger Zuschauer bekam ob seiner gewagten Frisur die Leviten gelesen und auch der Rezensent wurde streng angewiesen, sich künftig nur mit einer stilvolleren Brille in die feinere Gesellschaft zu wagen. Mit solcher Schelte muss man bei einer Veranstaltung mit dem Titel Gutes Benehmen von A bis Z halt rechnen.

Pago Balke begann einst seine Karriere als Liedermacher der Anti-AKW-Bewegung. Jetzt singt er von „dunkelroten Rosen“, deren Sprache alle Liebenden verstehen. Bekannt ist er in Bremen als Co-Regisseur des Films Verrückt nach Paris und spätestens seit vergangenem Sommer auch als begnadeter Pausenclown: Bei Daniel Hardings Abschiedskonzert lachten auf dem Markt mehr als 6.000 Besucher schallend über Balkes schlurfenden Hausmeister. Aber sein eigenes Programm kennen nur wenige, denn er führt es nur selten auf.

Im Brauhauskeller beweist er, dass auch Pointen altern können, ohne zu veralten: Die meisten Chansons stammen aus der Feder von Georg „Taubengift“ Kreisler, ein wenig Wilhelm Busch kam auch dazu. Lachen kann man darüber, weil Balke mit dem Anachronismus spielt: seine Körpersprache und seine „gepflegten“ Ansagen waren so aus der Zeit gefallen wie die Couplets mit Titeln wie Die Tante, Der Mann ohne Liebe oder Steter Trost. Wenn er mit einer Maske und einigen Kissen im Dirndl die Findorfferin Traude Balkhaus spielt, ist das schon hart an der Trude-Herr-Humorgrenze, aber es gehört wohl auch zum guten Benehmen eines Kritikers, dass er nie erst lachen und sich dann darüber mokieren sollte.

Musikalisch war der Auftritt erstaunlich anspruchsvoll: Mit dem Saxophonisten Peter Dahm und dem Pianisten Meinrad Mühl hatte Balke zwei gestandene Jazzer auf der Bühne, und Balke selber fand nicht nur die richtigen Töne, sondern auch jene, die aus jedem Lied eine warmherzige kleine Komödie machen.

Wilfried Hippen