Barfuß durch den Schlachthof

Nuit des racines: Die frankophonen Klangnomaden von Lo’Jo mixen Pariser Trance- mit arabischer Danse-Musik

Gravitätischer Tanzergänzt schwingendesTrippelgewirbel

Diese Musik klingt barfuß. Vorsichtig forschenden Schrittes von Spanien über Ost-Europa durch die Sahara in die Karibik. Ungeschütztes Erkunden musikalischer Kontinente. Klangforschendes Nomadentum. Seit der Gründung von Lo’Jo im Jahre 1982 hat das fahrende Musikantenvolk aus dem französischen Angers weltweit mit gut 300 Musikern unterschiedlichster Provenienz zusammengearbeitet.

Das hört man. Nicht nur auf CD – auch live. Und auch, obwohlsie nur als entspanntes Sextett gastieren, so wie am Freitagabend bei der, vom Institut Français mitgetragenen, Roots-Night im Schlachthof. Denn diese künstlerischen Konfrontationen fließen ein, sind die eigentliche Inspiration des Lo’Jo-Stils: Lo’Jo verschneiden Pariser Trance- mit arabischer Danse-, europäische Zirkus- mit nordafrikanischer Wohlfühl-Musik. Talking Drum trifft Melodica, Sufi-Tanz auf Harmonium und ein Sopransaxophon repetiert üppige Vokalparts. Mit nervös aufschreienden Exkursionen dazwischenfahrend: Violinist Richard Bourreau.

Wie Louis Sclavis seine imaginäre Folklore aus dem Geist der französischen Tanzmusik – sehr grazil – in die Gestade des Kammerjazz hineinlaboriert, so verschmelzen Lo’Jo ihre imaginäre Folklore aus dem Geist des Chanson – sehr süffig – und steuern sie zielbewusst in die Gestade des Ethno-Pop hinein. Wohlstrukturierte Grenzenlosigkeit.

Herz der Band sind die Berber-Schwestern Nadia und Yamina Nid El-Mourid: die Mächtige und die Zierliche. Gravitätisch sich wiegender Tanz ergänzt ausschwingendes Trippelgewirbel.

Währenddessen wogen die unisono vorgetragenen Gesänge zwischen afrikanischer und arabischer Vokalkunst hin und her. Konterkarriert werden sie vom Bandleader Denis Péan, dessen dunkel grummelige Paolo Conte-Stimme die Pastis und Gauloise-Aura mitschwingen lässt.

Unter den Liedern pulsiert die sanftmütige Erregung synkopierter Afro-Rhythmik. Gern auch mal als entspannter Reggae oder bastardisierter Drum’n’Bass. Lo‘Jo vermitteln ihr gesammeltes weltmusikalisches Wissen immer leichthändig und tanzfreundlich, in so stimmungsdichten wie entspannten Songstrukturen.

Global barefoot music, die die Stil-Zitate aus der Fremde feiert, indem sie sich diese zueigen macht. Wenn beispielsweise Richard Bourreau zur west-afrikanischen Kora greift, ein 21-saitiges Instrument mit Kürbis-Corpus, spielt er es nicht wie ein Afrikaner. Vielmehr klingt es, als würde Al di Meola auf der Harfe improvisieren. Fis