Ein Herz für Hans Meyer

Ob Rosenzüchter, Kauz aus Bad Hersfeld oder schlicht „harter Hans“: Herthas Nochtrainer hat mal eben den Hauptstadtfußball gerettet. Ein Dankeschön

VON FRANK KETTERER

Die Sache mit den Rosen wäre schon noch zu klären irgendwann, am besten jetzt, da der Abschied dräut. Vor fünf Monaten, als Hans Meyer gerade seinen Retterjob angenommen hatte, verblüffte der Kauz aus Bad Hersfeld die Fachwelt nämlich noch mit der botanischen Einlassung, eine Rose nicht von einer Tulpe unterscheiden zu können. Dass er, der Fußballlehrer aus dem Osten, in dutzenden von Zeitungsartikeln zuvor nicht nur als Liebhaber, sondern gar als Züchter des stachligen Grüns geoutet worden war, sei, so Meyer, jedenfalls nichts anderes als eine Ente. Einer der bösen Buben von der Presse habe das irgendwann einmal erfunden – und seither hätten es all die anderen einfach abgeschrieben. Und wahrscheinlich hat Meyer damals einen Satz gesagt wie: „Gehen Sie mal getrost davon aus, dass ein Hans Meyer gar nicht die Muße hat, Rosen zu züchten.“

Fünf Monate später, als sein Retterjob zu Ende gebracht war und Dieter Hoeneß, der Manager der Geretteten, ein kleines Rosenbeet ins Stadion karren ließ, aus lauter Dankbarkeit und weil man bei der Hertha doch um die Rosenliebe des lieben Hans wisse, hat sich Hans Meyer selbst verraten. „Dieter, wenn du jetzt nicht gesagt hättest, das seien Rosen, von allein hätte ich es nicht gewusst“, blies Meyer per Mikrofon ins Stadionoval. Und weil es sich bei diesem Satz, wie bei so vielen Meyer-Sätzen, um feinste Meyer-Ironie handelte, durfte man getrost davon ausgehen, dass Meyer mal wieder so ziemlich genau das Gegenteil von dem meinte, was er gerade gesagt hatte. Und deshalb war am Ende zumindest dies bewiesen: Hans Meyer kann doch eine Rose von einer Tulpe unterscheiden. Und wer weiß, vielleicht züchtet er sie ja doch, zu Hause in Bad Hersfeld.

Letztendlich aber ist das sogar egal – und Meyer weiß das. Wichtig ist nur, dass Hertha ein weiteres Jahr in der Bundesliga mitmachen darf. Wichtig ist aber auch, darauf hinzuweisen, wem sie das zu verdanken hat: Hans Meyer nämlich, dem Rosenzüchter. Die Fakten, nur zur Erinnerung, sind folgende: Vorletzter war die Hertha, als Meyer sie kurz vor Beginn der Rückrunde übernahm, 4 Punkte entfernt vom rettenden Ufer. Zwölfter ist sie nun, bereits gerettet einen Spieltag vor Saisonschluss. 13 Punkte sammelten die Berliner ohne Meyer, 26 mit ihm. In der Rückrundentabelle macht das Rang acht, punktgleich mit Schalke, nur einen Sieg vom VfB Stuttgart entfernt, nur zwei weitere von der Meisterschaft. Rang acht – das ist in etwa dort, wo man die Mannschaft einordnen muss, wenn man realistisch ist und nicht vom hauptstädtischen Größenwahn befallen.

Über Meyers Qualitäten als Fußballlehrer zu schreiben, verbietet sich deshalb; gehen Sie aber mal getrost davon aus, dass diese durch und durch exquisit sind. Fast wichtiger war ohnehin der Stimmungsumschwung, den der „harte Hans“, als der Meyer durchaus verschrien ist, in der Stadt bewirkt hat. Vor Meyer herrschte trostloseste Hoffnungslosigkeit bei Hertha, nach dem finalen 3:1 gegen Köln am Samstag war es die pure, ausgelassene Freude, und das nicht nur, weil man dem Abstieg noch einmal von der Schippe gesprungen war und Manager Hoeneß deswegen Freibier ausschenken ließ. Nein, das war schon mehr, Aufbruchstimmung nämlich – und natürlich haben sie auch die dem lieben Hans zu verdanken, der mit seiner bisweilen absonderlichen Art der Hertha das Lachen zurückgebracht hat und die Lockerheit, die nicht unwesentlich ist im Kampf gegen den Abstieg. Und selbst Fredi Bobic, mit seiner Treffunsicherheit nicht unwesentlich am Beinaheniedergang der Hertha beteiligt, muss sich am Samstag wundern über all das Tohuwabohu um ihn herum: „Was geht hier erst ab, wenn wir wirklich was zu feiern haben?“

Andere Frage: Was bleibt denn nun von Hans Meyer, dem Rosen züchtenden Retter aus Bad Hersfeld? Der Klassenerhalt, ganz klar. Und auch die Rosenbeete, die Meyer laut Manager Hoeneß nicht mit nach Hause nehmen darf, sondern die aufs Vereinsgelände von Hertha gepflanzt werden sollen, als blühendes Hans-Denkmal quasi. Und natürlich die ein oder andere Zote, die er gerissen hat, zum letzten Mal am Samstag in der Pressekonferenz. Für die Zusammenarbeit bedankt hat sich Hans Meyer dort bei den bösen Buben von den Medien, die er so richtig ja nicht leiden kann. Getan hat er das mit den ebenso launigen wie wahrscheinlich wahren Worten: „Fünf Monate kann man es gerade noch mit euch aushalten.“ Was soll man darauf noch sagen? Am besten: Danke, Hans!