Lieber Party feiern als lange marschieren

Veranstalter des „Tags der Türken“ haben auf Kritik reagiert. Der politische Umzug war diesmal nur kurz

BERLIN taz ■ Ein Türke in seinem knallroten T-Shirt mit den nationalen Symbolen Halbmond und Stern darauf spricht einen deutschen Passanten an: „Wollen Sie nicht mitlaufen?“ Der Mann antwortet mit starkem deutschem Akzent, aber auf Türkisch: „Teșekkürler!“ Also „Nein danke“.

Beim Umzug am „Tag der Türken“ bleiben die ehemaligen Gastarbeiter zwar immer noch weitgehend unter sich, aber es kommt zumindest eine Kommunikation mit den deutschen Zuschauern zustande. Die heftige Kritik im Vorfeld hat dem „Tag der Türken“ offenbar gut getan. Am Sonnabend zeigten sich die Teilnehmer offener und freundlicher als in der Vergangenheit.

Die Demonstration, die Unter den Linden entlangführt, ist von der konservativen Türkischen Gemeinde in Berlin organisiert worden – und wurde vorab von mehreren anderen türkischen Gruppen infrage gestellt. Sie fürchteten, dass ein solcher Umzug von den Deutschen eher als Protest missverstanden werden könnte.

Die Türkische Gemeinde reagierte zumindest indirekt, indem sie die Strecke des Umzugs in diesem Jahr kürzte. Gleichzeitig ging die Teilnehmerzahl deutlich zurück. Es kommen nicht mehrere zehntausende wie in den vergangenen Jahren, sondern diesmal marschieren nur rund 5.000 Türken zum Brandenburger Tor. Sie schwenken neben den türkischen auch deutsche und europäische Fahnen. Denn ihr Motto ist: „Wir sind Europäer!“

Kleine Kinder verteilen an umstehende Deutsche weiße Tulpen und sollen damit signalisieren, dass die Türken in Deutschland integriert und in bester Freundschaft mit ihren deutschen Nachbarn leben wollen. Die Geste kommt oft gut an.

Nur einmal versucht eine Hand voll Jugendlichen „Allahu Ekber“ zu schreien – „Allah ist groß“. Die Ordner unterbinden den Slogan der islamistischen Bewegungen sofort. Die Symbole der ultranationalistischen Grauen Wölfe sind ebenso verboten.

Die Veranstalter bleiben aber der Öffentlichkeit eine Erklärung schuldig: Warum brauchen sie eine Kapelle der Jenitscharen? Sie sind doch das Symbol der türkischen Feldzüge, die im Mittelalter ganze Völker in Angst und Schrecken versetzt haben.

Der Zug erreicht schnell das Brandenburger Tor – ganz vorne der Botschafter Ankaras, ganz hinten etwa 50 Motorradfahrer des Turkish Bikers Club Stuttgart. Somit ist der umstrittene Teil der Veranstaltung geschafft. Die Gesellschaft geht zum lustigeren Teil über.

Der Fest lockt in den folgenden Stunden weitere zehntausende Menschen vor die große Bühne. Denn dort tritt am späten Nachmittag der Gewinner des Eurovision Song Contest vom letzten Jahr auf, Sertap Erener. Auch die diesjährigen Vertreter sind gekommen, die Ska-Band Athena. Die Zuschauer sind längst nicht mehr nur junge Türken.

Kritische Beobachter von türkischen Zeitungen sind sich am Ende einig: Die Veranstalter sind auf dem richtigen Weg. Sie hoffen, dass künftig gänzlich auf den Umzug verzichtet wird. Man könnte sich stattdessen auf das Fest konzentrieren, das mehr als nur Popmusik und Volkstänze anbieten sollte. CEM SEY