Die rasende Currywurst

Innensenator Ronald Schill hat wichtige Aufgaben zu erledigen: Heute kämpft er für Hamburg an der Wurstfront. Die anderen Schill-Leute stehen derweil beim Schlagermove ihren Mann

von PETER AHRENS

Was beschäftigt diesen Innensenator eigentlich, wenn er in einem der raren Momente, die er in seiner Behörde verbringt, über den Problemen dieser Stadt brütet? Sind es die Eskapaden seines Staatsrates? Sind es die Kürzungen bei der Feuerwehr? Treibt ihn die Sorge um, dass der Kampfmittelräumdienst vielleicht nicht mehr so gute Arbeit leisten kann, wenn er privatisiert wird? Nein, dieser Senator bewegt sich nicht auf derart niedriger Ebene. Ronald Schill hat mit wenig Geringerem zu tun, als Hamburgs beschädigten Ruf zu retten: Er widmet sich der Currywurst. Schill hat das Thema zur Chefsache erklärt.

Der Feind heißt natürlich Berlin, da wo die roten Socken hausen und PolizistInnen in panischer Flucht vor der Berliner Kommune das Weite suchen. Die schwul-linke SPD-PDS-Rotfront hat nichts Eiligeres im Sinn, als der Hansestadt ans Zeug zu flicken: Universal nehmen sie uns weg, die „Echo“-Verleihung gönnen sie uns nicht, den kreuzbraven Olaf Scholz haben sie uns verdorben, und nun machen sie Hamburg das streitig, auf das sich der Stolz dieser Stadt gründet: Auf die Entdeckung der Currywurst durch die Imbissbesitzerin Lena Brückner am Großneumarkt 10, literarisch von Uwe Timm verewigt. Nein, die Currywurst stamme aus der Hauptstadt, erklären sie den Krieg, haben gar ein Denkmal für den vermeintlichen Erfinder enthüllt, und bislang hat nur die Hamburger Morgenpost wacker den fehdehandschuh aufgenommen und streitet seit Tagen für die hanseatische Ehre.

Nun ist die Mopo bekanntlich quasi die Currywurst unter Hamburgs Printmedien – schnell verzehrt, und anschließend verspürt man ein gewisses Magendrücken, und von daher ist der Einsatz für die gute Sache verständlich. Die Zeitung hat für heute angekündigt, seinerseits eine Gedenktafel zugunsten der guten Frau Brückner anzubringen. Wo das sein wird, werde der Mopo-Leser exklusiv erfahren. Nur so viel: Promi-Wirt Michael Wollenberg – laut Mopo ein „leidenschaftlicher Currywurst-Fan“ – stehe hinter der Aktion, und Wollenberg-Spezi Schill, so weiß die taz, hat sein Kommen bei der Enthüllung heute Mittag um 12 Uhr zugesagt.

Wir finden es total gut, dass ein Senator sich um so wichtige Dinge kümmert. Darüber hinaus gibt ein Blick auf den Terminzettel des Senats in der kommenden Woche Auskunft darüber, dass Schill tatsächlich das Wohl dieser Stadt unablässig im Auge hat. Als Termine für den 2. Bürgermeister und Innensenator werden dort genannt: Empfang des japanischen Generalkonsuls Hiroshi Sakurai zum Abschiedsbesuch am Donnerstag. Am Freitag Teilnahme am Abschiedsempfang des japanischen Generalkonsuls Hiroshi Sakurai im japanischen Generalkonsulat am Leinpfad.

Mehr Termine hat er sich für die Woche nicht aufgeladen, das muss aber auch erst einmal wieder reichen. Schließlich hat Schill noch mit dem Jetlag zu kämpfen – nachdem er letztens direkt von einer Segeljacht auf Mallorca zur Sparklausur des Senats im Gästehaus an der Schönen Aussicht einfliegen musste.

In dem Zusammenhang fällt uns eine Mail der Bildungsbehörde von vor drei Wochen ein, die durch den Pressesprecher so eingeleitet wurde: „Senator Rudolf Lange absolviert ein umfangreiches Wochenendprogramm.“ Anschließend wurden Langes Besuch bei einem Golfturnier sowie beim FDP-Stand auf dem Christopher Street Day aufgezählt. Anstrengend.

Gleichzeitig fordert der kulturpolitische Sprecher der Schill-Fraktion, Gerd Hardenberg, in einer Pressemitteilung von gestern alle Abgeordneten auf, am kommenden Wochenende den Schlagermove zu besuchen. Hardenberg schreibt: „Die Tatsache, dass bekannte Schlagergrößen wie Michael Holm, Chris Roberts und Gaby Baginsky neben Ulk-Interpreten wie Peter Wackel und Möhre auftreten, dokumentiert das breite Spektrum der Veranstaltung.“ Und Currywurst gibts dort bestimmt auch.