herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ auf Churchills Spuren

No sports!

Keine Namenwitze, bitte! Auch nicht, wenn jemand Hantuchova heißt und fatalerweise auch noch so aussieht: schmal nämlich wie ein Handtuch. Und doch scheint dieser redensartige Vergleich selten angebrachter gewesen zu sein als für die 20 Jahre junge Tennisspielerin Daniela Hantuchova. Auf aktuellen Fotos wirkt die schon zuvor als ausgemergelt gehandelte Slowakin geradezu wie skelettiert: 1,81 m Haut und Knochen bei 54 Kilo Untergewicht, das sind die allseits verbreiteten Körpermaße dieses „Strichs in der Tennislandschaft“ (Bild). Was übrigens einem Body-Maß-Index (Körpergewicht geteilt durch Körpergröße im Quadrat) von 16,4 entspricht und ein besorgniserregender Wert ist, da nach medizinischen Maßstäben Patienten mit einem Index unter 17,5 als magersüchtig gelten. Nur mal zum Vergleich: Mein Body-Maß-Index beläuft sich derzeit auf 30,8.

Womit wir bei meinem, einem Mediziner sicher auch nicht gerade unbedenklich erscheinenden Übergewicht wären; gefühlte Tendenz übrigens: leicht zunehmend. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil ich gerade erst am rauschenden Jahrestreffen einer aparten Loge teilnehmen durfte, deren Wahlspruch „Wir schnallen den Gürtel weiter“ lautet und deren Hohepriester, der Koch Vincent Klink und Kollege Wiglaf Droste, entsprechend gürtelweit gebaut sind. Anlässlich des Logentreffens trugen beide einiges dazu bei, dass auch ich, und zwar gerne, meinen Leibriemen um ein weiteres Loch lockerte: Der eine durch die exquisite Zubereitung und äußerst augenschmausige Darreichung einiger sehr leckerer Sachen. Der andere, indem er im beseelten Zustand, wie man ihn nur durch die zügige Einverleibung einiger Portionen Rotwein erlangen kann, die zahlreich vertretenen Hungerhaken unter den Logengästen ebenso vehement wie ultimativ aufforderte, sich gefälligst zügelloser zu geben und – „Ihr sollt mehr essen, ihr Schweine!“ – künftig die Wänste ordentlich zu mästen, sonst … – na ja, hab ich jetzt leider vergessen, was sonst passieren wird. Vermutlich, weil ich beim geselligen Bäuche-aneinander-Reiben von den Logenhäuptlingen für beleibt genug erachtet wurde und keine ihrer Abmahnungen zu fürchten habe.

Auch für die Zertrümmerung sämtlicher Personenwaagen wurde an diesem denkwürdigen Abend leidenschaftlich plädiert und nicht weniger entfesselt gegen jede körperliche Betätigung agitiert, die bloß auf die Gewichtsreduzierung von Körpermasse ziele. Ein schöner Abend war das, allerdings unterm Strich so frei von sportlichen Ereignissen, dass seine Erwähnung ausgerechnet in einer Sportkolumne kaum zu rechtfertigen wäre, wüsste ich nicht noch den entscheidenden Hinweis hinzuzufügen, dass eben auch im Gegenteil von Sport und jenseits der allenthalben propagierten turnschuhfitten Askese der Schlüssel für eine gedeihliche Ertüchtigung von Leib und Seele zu finden ist.

Eine, zugegeben, Naseweisheit, an die man jedoch angesichts der jüngst sich häufenden Meldungen über krank oder sogar totmachende Nebenwirkungen sportlicher Betätigung ruhig mal wieder erinnern sollte. Da fällt, wie schon erwähnt, eine Tennisspielerin auf erschütternde Weise vom Fleische und der Kameruner Fußballer Foé einfach tot um. Kurz zuvor stirbt der französische Radprofi Salanson, wenn auch nicht während eines Wettkampfs, so doch in der Nacht davor. Der Zehnkämpfer Frank Busemann muss die Brocken hinwerfen, weil sein Körper nach 28 Jahren Sport partout nicht mehr kann, und der deutsche 400-Meter-Meister Lars Figura gerät nach dem Genuss einer angeblich verdorbenen Cola völlig außer Form. Auch der Anblick einer bleckenden Fleischwunde, wie man sie neulich zig Mal bildschirmbreit im TV über Vitali Klitschkos Auge sich angucken musste, vermag das Dogma vom angeblich gesunden Sport nicht unbedingt zu stützen.

Fotohinweis: Fritz Tietz ist 44 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport