Nicht stillhalten

betr.: „Der deutsche Kongokonflikt“, taz vom 16. 6. 03

Die im Ökumenisches Netz Zentralafrika (ÖNZ) zusammengeschlossenen deutschen Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen arbeiten daran, das Los der Menschen in der geschundenen Region der Großen Seen zu verbessern, sei es in Ruanda, Uganda, in Burundi und in der DR Kongo. Wenn Dominic Johnson in seinem Beitrag schreibt, dass die deutschen NGOs das „Los der Menschen ausblenden“, dann beruhen seine Analysen auf falschen Informationen. Unsere fundamentale Kritik an der fatalen Involvierung Ruandas und Ugandas an der Ressourcenausbeute und Kriegsfinanzierung in der DR Kongo fußt nicht auf schrulligen Verschwörungstheorien, sondern auf vielen authentischen Berichten unserer lokalen Partner vor Ort, vor allem aus dem Osten der DR Kongo, von Menschen, die täglich dem Grauen des Krieges ausgesetzt sind.

Es ist wahr: Viele Menschen erwirtschaften sich einen mageren Lebensunterhalt durch das informelle Schürfen von Coltan und anderen Bodenschätzen. Es ist ebenso wahr, dass die im Osten der DR Kongo herrschenden Rebellengruppen durch Schürfkonzessionen, Handelsprivilegien und Grenzabgaben immense Einkommen erwirtschaften, die zur persönlichen Bereicherung und zum Waffenkauf genutzt werden, jedoch nicht zum Aufbau der Institutionen und zur gesellschaftlichen Entwicklung oder regionalen Sicherheit. Es nutzt dem ostkongolesischem Schürfer langfristig wenig, wenn er mit 50 Dollar seine Familie durchbringt, seine Töchter hingegen vergewaltigt, seine Söhne als Kindersoldaten rekrutiert und sein Dorf von marodierenden Rebellen geplündert werden: trauriger Alltag in der Region. Dieser Krieg wurde nicht wegen der Ressourcenausbeute begonnen, aber die Bodenschätze sind sein Motor. Es ist notwenig, die Ursachen dieses chronischen Konflikts anzugehen: Ressourcenexport, Waffenimport und externe Rebellenunterstützung.

Die derzeitige Regierung in der DR Kongo trägt ebenso ihren Teil Schuld an der Fortführung des Krieges und der Stagnation des Friedensprozesses wie die benachbarten Staaten im Osten des Kongo. Das ÖNZ verurteilt alle an der illegalen Ausbeutungspraxis beteiligten Individuen, Firmen und Staaten. Dass sich Dominic Johnson mit seiner einseitigen Sicht auf die politisch-ökonomische Gemengelage weitgehend isoliert und nicht die Einschätzung der Mehrheit der deutschen NGOs teilt, ist nicht tragisch, vielleicht für einen Journalisten sogar heroisch und erwünscht. Für uns NGO-Vertreter geht es jedoch um mehr. Menschenrechte und Frieden in der Region sind unteilbar. Und wenn ein Land, das vor neun Jahren unermessliches Leid ertragen musste, jetzt zu unermesslichem Leid im Nachbarland beiträgt, dann dürfen wir nicht stillhalten. VOLKER RIEHL für den Koordinierungskreis:Brot für die Welt, Diakonisches Werk, Menschenrechtsreferat,Misereor, Pax Christi, Vereinte Evangelische Mission, Berlin

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