Graue Protest-Partei

Während ihres Europa-Wahlkampfes machte die „Generationenpartei“ Station in Bremen und empfiehlt sich als die FDP von morgen

Ernst Otto Wolfshohl, Spitzenkandidat der Grauen: „Es gibt keinen Generationenkrieg“

Bremen taz ■ Wer Rentner mit schütterem, grauem Haar erwartet, weil auf dem Wahlstand-Sonnenschirm „Graue Panther“ steht, wird erst einmal überrascht von der Bremer Europa-Kandidatin der selbst ernannten „Generationen-Partei“. Zwar ist in Bremen nur ein Drittel der Mitglieder unter 40 Jahren, aber Yasemin Aysel Kabal hat volles dunkles Haar und ist gerade mal 37. Ja, sie rechne sich Chancen aus, sagt die Schneidermeisterin, Listenplatz 5 der Partei, der 3,8 Prozent bei der Europa-Wahl am 13. Juni prognostiziert werden. Kabal sagt auch noch, dass ihre Partei weg wolle vom Opa-Image.

Sonst sagt sie wenig an diesem Freitagvormittag auf dem Platz vor C & A, wo die Grauen mit ihrem Spitzenkandidaten Ernst Otto Wolfshohl (60) Wahlkampf machen. Gemeinsam mit dem Bremer Landesvorsitzenden Hans-Peter Onken (61) gibt Wolfshohl die programmatischen Schwerpunkte der Spitzenkandidatin bekannt und erläutert ihre politische Position. Außerdem relativiert er ihre Befürwortung eines EU-Beitritts der Türkei dahingehend, dass natürlich zuerst die Probleme der Demokratisierung und der kulturellen Integration gelöst werden müssten.

Für Integration ist man sehr bei den Grauen: So solle man mit 65 noch arbeiten dürfen, wegen Krankheit nicht aus der Arbeitswelt ausgeschlossen werden. „Ärzte sollten nicht mehr Krankheiten beseitigen, sondern lehren, wie man trotz Einschränkung seinen Verpflichtungen nachkommen kann“, sagt Wolfshohl. Und das, ohne bei Jüngeren auf Widerstände zu stoßen. „Es gibt keinen Generationenkrieg“ ist ein Motto des Spitzenkandidaten. Ein anderes: „Den Großteil der Altersarmut gibt es nicht.“

Das betont ideologiefreie Parteiprogramm erlaube auch keine Einordnung nach „links“ oder „rechts“, nur „vorne“, sagt Wolfshohl. Die „Wirtschaftsphilosophie“, auf die sich die Grauen berufen, besagt, dass die Sozialversicherung „vom Verteilen zum Wirtschaften“ übergehen muss, dass Elternschaft und Ehrenamt bezahlt werden müssen, dass die Sozialkassen aus allen Einkünften finanziert werden sollten, inklusive Miet- und Zinseinnahmen, Unternehmensgewinnen und Unterhaltszahlungen.

Außerdem sei man liberaler als die FDP, finden die Grauen-Politiker. Dass produziert wird, wofür Geld gezahlt wird, dass aus Bedürfnissen Märkte gemacht werden müssen, damit das Bruttoinlandsprodukt steigt, dass mit der Umverteilung des Sozialstaats endlich Schluss sein müsse, dass man für seine Bedürfnisse auch bezahlen soll. Das sind die Glaubenssätze, auf denen die Partei ihren Anspruch aufbaut, nach der Wahl vielleicht da zu sitzen, wo die FDP im Europaparlament hinwollte.

Vor allem aber stellen sich die Grauen als Protestpartei dar. „Ihre Stimme gegen den Sozialabbau“ fordern sie auf Plakaten. Noch direkter wird Spitzenkandidat Wolfshohl im Fernsehspot: „Wenn man protestieren will, muss man eine kleine Partei wählen, wir bieten uns an.“ Und: „Wir müssen antreten, wir müssen denen eine Quittung geben.“

M. Krämer
/ E. Bruhn