Der Traum vom Sport

Eine Ausstellung im Museum Neukölln widmet sich der Leibeserziehung im Kiez. Von den Anfängen mit Turnvater Jahn bis zu den kurzen Höhenflügen von Tasmania Berlin. Nur für die Darstellung des heutigen Sportalltags bleibt wenig Platz

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Tasmanien. Land der Träume für eine Hand voll junger Männer, die im Jahre 1900 einen Sportverein gründen. Erzählungen von Abenteurern, die nach ihrer Rückkehr von der geheimnisvollen Inselgruppe vor Australien berichtet haben, sind von den jungen Männern derart begeistert aufgenommen worden, dass sie sich vorgenommen haben, einst auch dorthin zu reisen.

Um sich ihren Traum täglich vor Augen halten zu können, nannten sie den Klub, den sie gründeten, Tasmania. Der Rixdorfer Fußball-Club Tasmania brachte es früh zu sportlichem Ruhm. 1912 standen die Neuköllner im Halbfinale um die deutsche Fußballmeisterschaft.

Doch unvergesslich wurde der Verein erst gut 50 Jahre später. 1965 stieg Tasmania in die Bundesliga auf. Nach einer Saison war der Traum vom Spitzenfußball aus Neukölln ausgeträumt. Die 28 Niederlagen der Berliner in einer Saison stellen einen bis heute unübertroffenen Negativrekord dar. Tasmania gilt als der schlechteste Bundesligaverein aller Zeiten und ist so zu wenn auch trauriger Berühmtheit gelangt.

Durch eine Multimedia-Rauminstallation des Büros meshdesign wird die Achterbahnfahrt des Fußballclubs in den Mittelpunkt der Ausstellung „Neukölln bewegt sich – von Turnvater Jahn bis Tasmania“ des Museums Neukölln gestellt. In die Jahre gekommene Fans kommen zu Wort und schwärmen vom geradlinigen Fußball der Tasmanen. Spielberichte sind zu sehen, in denen der Fernsehreporter von einer Neuköllner Mannschaft spricht. Die Ausstellung schwärmt ebenso wie die alten Anhänger auf den Videoschnipseln von der Zeit, als ganz Deutschland von einem Team aus Neukölln sprach.

Denn Sport in Neukölln ist heute nur noch in den seltensten Fällen Spitzensport. Dass es immer wieder auch Hoffnungen gibt, den Sprung nach ganz oben zu schaffen, dafür stehen die Porträts der A-Jugend-Spieler von Tasmania Berlin, die es geschafft haben, sich für die Bundesliga in ihrer Altersklasse zu qualifizieren. Wieder steht Tasmania für einen Traum: den von der großen Bundesligakarriere.

In einem zweiten Raum der Ausstellung geht es um ganz andere Träume. Da ist zum einen der gescheiterte Traum des Rudolf Lewy von einem normalen Sportlerleben. Das Mitglied der Neuköllner Sportfreunde wurde als Staffelläufer für die Olympischen Spiele aufgestellt, als Jude musste Lewy drei Jahre später das Land verlassen.

Außerdem wird die Geschichte der Träume erzählt, die sich Rosl Persson erfüllen konnte. Die kleine Turnerin brachte in den 30er-Jahren als Varieteekünstlerin Kraftakrobatiknummern zur Aufführung. So kam sie nach Italien und Österreich, tourte als Mitglied der „Geschwister Everest“ durch Deutschland.

Erzählt wird auch der Traum vom wehrhaften Vaterland, der Friedrich Ludwig Jahn dazu bewog, sich an die Spitze einer Turnbewegung zu setzen. 1811 wurde in der Hasenheide Jahns erster Turnplatz errichtet. Daraus entstand so etwas wie der Ausgangsort der Turnbewegung, deren nationalistische Wurzeln als gegen den Erbfeind Frankreich gerichtete Wehrerziehung lange Zeit nicht wahrgenommen wurden.

Wenig Platz bleibt für die Darstellung des gegenwärtigen Sportalltags in Neukölln. Die Geschichte des von türkischen Immigranten gegründeten Fußballclubs Hürtürktel oder die Situation des Frauen- und Mädchenfußballs sowie die Teilnahme muslimischer Sportlerinnen daran werden lediglich im umfänglichen Katalog dargestellt.

Ebenso die Tradition des Arbeitersports in Neukölln, der so faszinierende Persönlichkeiten wie den 1944 hingerichteten Ringer und Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder hervorgebracht hat. Auch das die Geschichte eines jäh beendeten Traums, des Traums von einer gerechten Gesellschaft.

Die Ausstellung „Neukölln bewegt sich – von Turnvater Jahn bis Tasmania“ ist im Museum Neukölln, Ganghoferstraße 3–5, noch bis April 2005 zu sehen. Sie ist von Mittwoch bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei