Gottes Wille statt Menschen Werk

Für die rückwärts gewandte Umweltpolitik der Regierung von US-Präsident Bush gibt es nicht nur persönliche Gründe. Nimmt man die Äußerungen führender Republikaner ernst, baut sie auch auf einen christlich-rechten Fundamentalismus

Der biblische Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, wird ernst genommen

aus Washington MICHAEL STRECK

Seit Präsident George W. Bush sein Amt angetreten hat, hat es in der US-Umweltpolitik gravierende Rückschritte gegeben. Meilensteine der US-amerikanischen Umweltgesetzgebung zur Luft- und Wasserreinhaltung werden geschliffen, jegliche Einführung höherer Umweltstandards blockiert und Industrieunternehmen für vormals begangene Schäden aus der Haftpflicht entlassen. Ausgewiesene Umweltpolitiker haben dagegen einen schweren Stand. Gerade erst zum 27. Juni ist die Leiterin der Umweltschutzbehörde, Christine Todd Whitman, zurückgetreten – offiziell aus „persönlichen Gründen“. Tatsächlich war sie aber in den zweieinhalb Jahren ihrer Amtszeit immer wieder mit dem Bush-Kurs in Konflikt geraten. Der letzte EPA-Jahresbericht musste gar ohne ein Kapitel zum Klimaschutz erscheinen.

Über die Hintergründe für diesen „Krieg gegen die Umwelt“, wie ihn Umweltschützer in den USA nennen, muss nicht viel spekuliert werden. George W. Bush und sein Vizepräsident Dick Cheney, einst selbst Unternehmer im Ölgeschäft, verhalten sich, als seien sie Vollstrecker der Energielobby. Von staatlicher Regulierung halten sie nichts. Ihre persönliche und politische Nähe zur Auto- und Energieindustrie erklärt, wieso es ihnen so schwer fällt, Umweltauflagen gegen deren Widerstand durchzusetzen. Diese Haltung beschränkt sich nicht auf die Staatsspitze, sondern ist auch unter Abgeordneten verbreitet. Unterfüttert wird sie durch einen christlichen Fundamentalismus. Einflussreiche Konservative, die sich vom Allmächtigen getrieben fühlen, erkennen in sterbenden Korallenriffen, verschwindenden Arten und anderen Umweltzerstörungen keinen Aufruf zum Handeln, sondern Gottes Willen und Anzeichen für die Endzeit.

Nicht alle Vertreter der religiösen Rechten in den USA glauben an die Apokalypse, sagt Joan Bokaer vom Center for Religion and Social Policy an der Cornell University. Doch in ihrer Weltsicht habe Umweltschutz keinen Platz. Sie glaubten, dass Ressourcen endlos verfügbar seien und natürliche Güter sich stets erneuerten. „Der biblische Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, wird ernst genommen.“

Der Einfluss christlich-rechter Gruppen wie „Charismatic Church“ und „Christian Coalition“ ist seit den 80er-Jahren in den Reihen der Republikaner gewachsen, sagt Bokaer. Ziel sei es gewesen, die Unterstützerbasis der Partei zu vergrößern. Nach Angaben der Organisation „Amerikaner für die Trennung von Kirche und Staat“ in Washington assoziieren sich 178 Abgeordnete mit den religiösen Rechten. 44 Senatoren werden von der „Christian Coalition“ ausdrücklich für ihre Politik gelobt. Die beiden Fraktionsvorsitzenden im Senat und Abgeordnetenhaus, die Republikaner Bill Frist und Tom DeLay, machen aus ihrer religiösen Motivation keinen Hehl. Die New York Times zitiert DeLay mit den Worten, der Allmächtige bediene sich seiner, „um eine biblische Weltsicht in der US-Politik zu fördern“.

James Imhofe, Vorsitzender des Umweltausschusses im Senat, posaunte auf einer Konferenz der „Christian Coalition“ im vergangenen Herbst kurz vor den Kongresswahlen: „Wenn wir diese Revolution gewinnen, führen wir nur den Auftrag des Herrn aus, und Er wird euch dafür reich segnen.“ Imhofe, der die EPA einmal als „Gestapo-Bürokratie“ bezeichnete, hat vom Umweltverband „League of Conservation Voters“ die schlechteste Note erhalten, die je für den wichtigsten Umweltposten im Kongress vergeben wurde.

Ginge es nach der republikanischen Parteibasis in Bushs Heimatstaat Texas, müsste die EPA komplett abgeschafft werden. Und die Klimaerwärmung ist für die Kreuzzügler nichts als ein „Mythos“. Diese Weltsicht hat ihren Preis: Unter Gouverneur Bush stieg Texas in den USA zum Luftverschmutzer Nummer eins auf. Bei der Wasserqualität ist der Bundesstaat Drittletzter.

Die religiöse Überzeugung führt zur Missachtung der Wissenschaft. So ignorierte Bush einen Bericht des Nationalen Wissenschaftsrates, der zu dem Schluss kam, dass es einen Klimawandel gibt und der vom Menschen verursacht ist. Als die EPA 2002 eine Studie zu den Konsequenzen der Erderwärmung vorlegte, wies Bush dies als „bürokratisches Gerede“ ab. Weitgehend unbeachtet strukturierte er jene wissenschaftlichen Beratergremien um, die Empfehlungen zur Umweltpolitik abgeben. Martin Jezer vom Online-Magazin Common Dreams News Center“ kommt zu dem Schluss, dass „jemand schon bis in Stalins Zeiten zurückgehen muss, um solch ein arrogantes und ignorantes Verhalten gegenüber der Wissenschaft zu finden“.