Nie mehr zurückbleiben

Die Bahnpreisreform geht weiter, als viele vermutet hatten. Nun muss Mehdorn nur noch die Kundenrechte verbessern

von HANNA GERSMANN

„Die Bahn fährt in zwei neue Welten. Die Bahncard-Welt und die Sparpreis-Welt“, verkündete Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern nach der Aufsichtsratssitzung. Weniger blumig ausgedrückt: Bahnfahren wird für die meisten billiger. Und das schon ab August. Dann gibt es gleich drei Bahncards, eine mit 25 Prozent Rabatt, eine mit 50, eine mit 100. Eine Kombination mit Frühbucherrabatten ist künftig ausgeschlossen. Die werden dafür vereinfacht: Am Wochenende kann man für die Hälfte, unter der Woche für ein Viertel des Normalpreises fahren.

Eine persönliche Niederlage sei die Reform der Preisreform nicht, sagt Mehdorn, der zu den glühenden Verteidigern des erst vor sechs Monaten eingeführten neuen Preissystems gehörte: „Wir haben verstanden.“

Das wurde auch höchste Zeit, denn der Bahn blieben die Kunden weg. Erst gestern veröffentlichte das statistische Bundesamt neueste Zahlen. Danach nutzten in den ersten drei Monaten diesen Jahres im Vergleich zum Vorjahr elf Prozent weniger Kunden die Fernzüge. Im Mai gestand Mehdorn erstmals ein, dass das Tarifkonzept das größte Verkehrsunternehmen Europas bremst: Er schasste zwei Bahnvorstände sowie die Preisbeauftragte. Bauernopfer, urteilten viele. Bahnchef Mehdorn – dessen Vertrag vorzeitig bis 2008 verlängert wurde – musste in jedem Fall zügig handeln. Was er gestern präsentierte, geht weiter als viele vermutet hatten.

So kommt nicht nur die alte Bahncard zurück, auch die Frühbucherrabatte werden einfacher. Davon gibt es statt bisher drei künftig nur noch zwei, den Sparpreis 25 und 50. Beide können noch drei Tage vor Abfahrt gebucht werden. Wer aber für die Hälfte reisen will, muss übers Wochenende fahren. Doch Achtung: Nicht zu jedem Zeitpunkt wird jeder Rabatt zur Verfügung stehen, die Züge sind weiterhin kontingentiert.

Fast trotzig sagte Mehdorn dann doch: „Aus wirtschaftlicher Sicht macht das alles keinen Sinn.“ Schließlich wolle er die Züge besser auslasten. So aber blieben sie freitags überfüllt, in der Woche seien sie dafür nicht einmal zur Hälfte ausgelastet.

Mehdorn setzt darauf, dass die Bahn insgesamt attraktiver wird. Denn: „Mit der Tarifreform im Dezember haben wir bereits die Grundpreise auf den Strecken gesenkt.“ Im Schnitt um 12 Prozent – je weiter desto mehr. Die Preise auf der Strecke Berlin–München etwa sanken um 25 Prozent. Teurer wurden hingegen die ehemaligen Interregio-Strecken unter 200 Kilometer. Dort wurden die Interregios abgeschafft. Sie fahren vielfach – mit neuem Anstrich – als InterCity weiter.

Die Kunden haben Grund zur Unzufriedenheit. 80 Prozent der Fernverkehrszüge sind unpünktlich an. Manchmal wegen technischer Macken, manchmal weil die Züge schlecht vertaktet sind. „Wir werden nicht ausreichend entschädigt“, klagen die Betroffenen häufig. Das wird sich erst einmal nicht ändern. Mehdorn: „Die Bahn hat ihre Kunden nie im Stich gelassen.“ Trotzdem diskutiere er mit Verbraucherschutzministerin Renate Künast bereits, wie die Kundenrechte gestärkt werden könnten – und plädiert für die bei der Industrie immer beliebte, da unverbindliche Selbstverpflichtung. Er sagt damit indirekt: Bloß kein Gesetz. Schließlich könnten verprellte Kunden dann klagen.

Dafür soll es eine Serviceoffensive geben. Schluss damit, dass jeder zweite Bahnkunde am Schalter schlecht beraten wird, wie es die Stiftung Warentest ermittelt hat. Eben nicht nur die Kunden haben das Tarifsystem nicht verstanden, auch die Bahnmitarbeiter hatten Schwierigkeiten. Das soll sich ändern: Ab heute werden die Mitarbeiter für die neuen Preise geschult.