Kammer 4 ist einsturzgefährdet

Das Pannen-Endlager Asse II hat sich ein neuer Zwischenfall ereignet. Experten machen sich Sorgen um die Standfestigkeit des früheren Bergwerks, und in der Politik tun sich neue Fronten auf

VON KAI SCHÖNEBERG

Joachim Bluth hat Sorgenfalten auf der Stirn. Seit Anfang Dezember weiß der Endlagerexperte aus dem niedersächsischen Umweltministerium, dass sich die „seismischen Ereignisse“ oberhalb der Kammer 4 im Pannen-Endlager Asse häufen. Sollte die Kammerdecke einstürzen, könnte die gesamte Asse destabilisiert werden, fürchtet er. „Was machen wir, wenn da nicht täglich 12 Kubikmeter Lauge reinfließen, sondern 100 oder 200?“

Die Meldung vom bevorstehenden Einsturz einer mit rund 6.000 Fässern gefüllten Kammer hatte der neue Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), am Dienstag Abend dezent auf seine Homepage gestellt. Offenbar ist die Decke in Kammer 4 akut einsturzgefährdet. Fiele sie herab, könnten die drei Meter tiefer lagernden Fässer mit schwach radioaktivem Abfall zerstört werden. Der sich dabei ausbreitende radioaktive Staub könnte durch die Abluftschächte des Bergwerks nach außen gelangen.

Nach Ansicht des BfS sind keine „sofortigen Gefahrenabwehrmaßnahmen notwendig“. Dennoch kündigte das Strahlenschutzamt an, die bereits mit einer Mauer versiegelten Kammer weiter „vorsorglich“ zu verstärken. Weitere Maßnahmen werden derzeit geprüft. Offenbar wird auch erwogen, den Hohlraum in der Kammer mit Beton zu verfüllen. Dann könnten die Fässer jedoch nicht mehr aus der Asse zurückgeholt werden.

Das BfS wies gestern Vorwürfe zurück, nicht transparent über den Vorfall unterrichtet zu haben: „Das entbehrt jeder Grundlage“, so ein Sprecher. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), bis vor kurzem noch Asse-Aufseher, hatte den neuen Betreiber angegriffen: „Für mich ist unverständlich, warum man die Öffentlichkeit nicht informiert hat.“

Das Amt ist nun Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) unterstellt, sein Chef Wolfram König steht den Grünen zumindest nahe. Das erklärt die neuen Fronten in der Politik: Die Grünen, früher die größten Asse-Kritiker, ärgerten sich, dass sich FDP-Mann Sander „nach dem Betreiberwechsel zu einem der schärfsten Kritiker mangelnder Informationspolitik aufschwingt.“ Zunächst müssten die Messungen genau analysiert werden.

Allerdings berichtet Sanders Referatsleiter Bluth aus der Asse-Begleitgruppe, dort habe sich der BfS-Vertreter zumindest geziert, das Problem zu veröffentlichen. Das sieht der BfS-Sprecher anders: „Das weitere Vorgehen ist in der Begleitgruppe mit allen Beteiligten vereinbart worden.“