Der Vibe von Mumbai

Der Weg von New York nach Mumbai führt Jean Griffin Borho über Berlin. Hier sammelt die amerikanische Kunsthistorikerin, die die Bodhi Art Galerie für indische Kunst leitet, Street Art

VON JAN KAGE

Jean Griffin Borho ist die Direktorin von Bodhi Art Berlin, seit Mai 2008 die erste Berliner Galerie für zeitgenössische, indische Kunst. Die gebürtige New Yorkerin hat lange als Expertin für alte Bücher für die Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s gearbeitet, bis sie 2006 an die Spree übersiedelte.

Zur indischen Kunst kam die Kunsthistorikerin, die sich im Studium mit dem Stil früher amerikanischer Möbel beschäftigte, über Umwege. Sie begann sich mit zeitgenössischer Kunst vom Subkontinent auseinanderzusetzen, als sie mit dem indischen Künstler und Kurator Shaheen Merali in dessen Zeit am Haus der Kulturen der Welt arbeitete. Als Merali dann die Direktion von Bodhi Art Berlin übernahm, holte er Griffin Borho mit an Bord und reiste mit ihr nach Indien. Inzwischen hat sie seinen Posten übernommen.

In Indien gebe es zwei Künstlergemeinden, berichtet Griffin Borho und raucht ihre Zigarette. „Eine in Delhi und die andere in Mumbai, und dann gibt es noch ein paar kleinere künstlerische Szenen im Süden des Landes. Der Großteil unserer Künstler lebt aber in Mumbai.“ Mumbai unterscheide sich stark von Delhi. „Delhi ist eine eher konservative und auf eine traditionelle Weise schöne Stadt, und Mumbai hat auf gewisse Art einen ähnlichen Vibe wie New York – New York an einem Strand.“

Bodhi Art vertritt knapp dreißig Künstler. Im Westen sind bisher die wenigsten bekannt. Der Unterschied zwischen ihnen und westlichen Künstlern sei, sagt Griffin, dass viele westliche Künstler mehr reisten. Immerhin sei es ein Unterschied, sich ein Bild in einem Buch und im Internet anzugucken oder im Museum. Viele indische Künstler beschäftigten sich nicht mit Themen außerhalb Indiens. „Das bedeutet aber nicht, dass die indischen Themen nicht auch woanders verstanden werden, sie sind einfach nur sehr spezifisch. Indien ist ein riesiger Subkontinent. Man versteht daher ihr Interesse, sich mit ihrer eigenen Geschichte, ihrer heutigen Politik und der sozialen Lage im Land auseinanderzusetzen.“

Was in Indien passiert, das beschäftigt Griffin Borho. Sie hofft, dass indische Künstler künftig mehr Stipendien in anderen Ländern erhalten. Sie befürchtet aber, dass die Terroranschläge in Mumbai Ende November dieser internationalen Öffnung einen Dämpfer versetzt haben. Ob zum Beispiel das Komitee der Art Basel seine für Februar geplante Reise antreten wird, ist derzeit unklar. „Was ich jetzt von den Leuten in Mumbai gehört habe, ist, dass sie so bald wie möglich zur Normalität zurückwollen. Und sie wollen, dass die Leute zu ihnen kommen und die Künstler vor Ort unterstützen.“ Der Kunstmarkt selbst ist weniger von den Terroranschlägen als vielmehr durch die Krise des Finanzmarktes getroffen, die in Asien größere Schäden als in Europa bewirkt hat. Für die Bodhi Art Galerie setzt Griffin Borho trotzdem auf das wachsende Interesse der Sammler indischer Kunst im Westen, schließlich kauft auch Charles Saatchi in London Werke indischer Zeitgenossen.

Warum Berlin? Jean Griffin Borho kam 2006 endgültig hierher, weil die Stadt sie mit seiner kreativen Szene an das New York der späten Achtziger und frühen Neunziger erinnert. Heute ist ihr New York zu sauber und zu kontrolliert. „Es ist wunderbar, dass hier so viele Künstler leben und arbeiten können. New York City ist eine großartige Stadt, in der ich aufgewachsen bin, aber ich habe eine Abwechslung gebraucht, und Berlin schien zu passen. Das erste Mal bin ich 2004 hierhin gekommen, und als ich nach zwei Wochen wieder abgereist bin, habe ich die Stadt vermisst, ohne wirklich erklären zu können, warum.“

Auch Berlins omnipräsente Street Art Szene erinnert sie an die Heimat vergangener Tage. „Es gibt hier mehrere Street Artists, die ich sehr mag. Und die Street Artists werden in Berlin recht ernst genommen. Die Leute feiern das hier, anstatt es wegzuputzen. Das gefällt mir.“ In ihrer schicken Wohnung in Mitte steht eine Arbeit der Kreuzberger Graffiti Legende Poet, ein Segment seiner Miniatur der Berliner Mauer mit einer bemalten West- und einer grauen Ostseite. Der Street Artist Ouchgrafix hat ein Porträt ihres Hunds an ihre Wohnzimmerwand gemalt. Aber sie sammelt nicht nur Street Art: Auch eine Skulptur der jungen Berliner Künstlerin Sabine Fassl steht neben Arbeiten von Sebastian Gögel und Paule Hammer aus Leipzig.

Wenn Berlin Griffin Borho also an ein vergangenes New York erinnert und Mumbai ein New York am Strand ist, was hat dann Mumbai mit Berlin gemein? „Mumbai hat mit Berlin eine sehr liberale Community gemein. Es gibt da Leute, die neuen Ideen sehr offen gegenüberstehen und die miteinander kommunizieren und sich im Feld der zeitgenössischen Kunst gegenseitig helfen. Viele dieser Künstler sind gemeinsam zur Schule gegangen, weswegen sie eine enge Gemeinschaft bilden. Die zeitgenössischen Künstler, Architekten und Grafikdesigner tauschen ihre Ideen miteinander aus. Es gibt also eine sehr starke kulturelle Szene. Und das sehe ich auch in Berlin.“

Aktuelle Ausstellung: „Eclectic Images“. Fotografien von Pablo Bartholomew, bis 3. Februar