Müntefering liebt Gesine Schwan

Der SPD-Partei- und Fraktionschef schwärmt von der Politikprofessorin. Ihre Stärke erklärt er mit der Schwäche der Politik. Polen-Beauftragte wird Schwan jedoch nicht

BERLIN taz ■ Es ist eines von Münteferings Lieblingsthemen: Warum der eine Politiker bei den Bürgern Vertrauen genießt und der andere nicht. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD hat da in diesen Wochen einige neue Einsichten gewonnen. Beschert hat ihm diese ausgerechnet eine Frau, deren Popularität darauf beruht, eben keine Politikerin zu sein: Gesine Schwan.

Die Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten hat ihrer Partei, der SPD, trotz der Niederlage gegen Horst Köhler offenbar so viel Freude gemacht, dass die Sozialdemokraten noch am Tag danach ins Schwärmen geraten. „Ein großes Talent, eine große Fähigkeit“, attestiert Müntefering der 61-jährigen Politikprofessorin, die erst durch ihre Nominierung für das höchste Staatsamt bundesweit bekannt geworden war. „Die Menschen haben ihr gern zugehört.“

Der SPD-Chef erklärte Schwans Stärke interessanterweise mit der Schwäche der Politik. „Wir haben alle nicht mehr die Muße, die Dinge sacken zu lassen“, sagte Müntefering. Politiker hätten im brutalen Alltagsgeschäft nicht mal mehr die Zeit, über eine Idee auch nur eine Nacht zu schlafen. Schwan hätte es verstanden, sich von den tagesaktuellen Details nicht vereinnahmen zu lassen. Sie habe die Werte von Politik in den Mittelpunkt gerückt. „Sie hat es als Person geschafft, Vertrauen zu gewinnen“, sagte Müntefering.

Kein Wunder, dass er sich wünscht, Schwans Talent sollte für die SPD mehr genutzt werden. Nicht in einem klassischen Amt, sondern mehr im „Dialog mit der Bevölkerung“. Wie das aussehen soll, ist offen. Typisch Politik jedoch, dass die Bundesregierung den halben Montag lang so tat, als werde Schwan das neue Amt einer Beauftragten für deutsch-polnische Beziehung übernehmen. Am Nachmittag dann das peinliche Dementi: Das Amt eines Polen-Beauftragten wird es nicht geben. JENS KÖNIG